Impuls zum ersten Fastensonntag 2025

Das Ökumenische Netz hat sich vorgenommen – beginnend mit der Fastenzeit 2025 – Impulse zu den sonntäglichen Lesungen und Evangelien im (katholischen) Kirchenjahr auf der Webseite des Netzes zu veröffentlichen, was auch als Anregung für Menschen dienen kann, die Gottesdienste vorbereiten.

Erster Fastensonntag 2025 (Lesejahr C)

  1. Versuchung Jesu im Kontext der Taufe am Jordan

Auffallend ist, dass alle drei Synoptiker die Versuchung Jesu direkt im Anschluss an seine Taufe stattfinden lassen. Damit stellen sie die Versuchungsgeschichte Jesu in einen unmittelbaren Zusammenhang mit seiner Taufe am Jordan. Lukas betont den Bezug zur Taufe zusätzlich dadurch, dass Jesus (aufgrund der Taufe) „voll des Geistes“ in die Wüste geht. Die Taufe Jesu kann als Bewusstwerdung seiner Sendung gesehen werden. Diese Sendung besteht darin, den Armen frohe Botschaft zu bringen (Lk 4,16-21). In der Auseinandersetzung mit dem Versucher findet eine Klärung des Messias- und Gottes-Sohn-Seins im Rahmen seiner Sendung statt. Diese Sendung wird vom Versucher in Frage gestellt, von Jesus aber verteidigt.

Problematisch ist es daher, wenn (wie es in der Verkündigung häufig geschieht) die Versuchungsgeschichte in Parallele gesetzt wird zu Versuchungen, denen Menschen als Menschen grundsätzlich ausgesetzt sind. Jesus wird dann zu einem Vorbild, an dem man sich im Umgang mit Versuchungen aller Art orientieren kann. Damit geht das Anliegen dieser Perikope, die spezifische Sendung Jesu zu den Armen, verloren. Aus dem Blick geraten damit auch die mit dieser Sendung verbundenen Konflikte Jesu mit den religiösen und politischen Eliten, die letztlich in Passion und Kreuzigung enden. Nicht mehr sichtbar sind dann auch Jesu Verkündigung der Umkehr und der Vergebung an Israel zuerst und darüber hinaus auch an allen Völkern.

  1. Der Sohn Gottes ist der im Volk Israel erwartete Messias.

Jesus wird vom Versucher zweimal als „Sohn Gottes“ angesprochen (Lk 4,3.9). Dieser Hoheitstitel hat eine Vorgeschichte im Alten Testament. Dort wird Israel als Sohn Gottes bezeichnet. Als in späteren Jahrhunderten eine Anpassung an das Imperium stattfand und immer mehr hellenistisches Denken Einzug hielt, diente der Sohn-Gottes-Titel vor allem dazu, die göttliche Natur Jesu deutlich zu machen. Damit wurde jedoch der Bezug zur jüdischen Heilsgeschichte an den Rand gedrängt, bis in die Gegenwart hinein. So verweist der Exeget Heinz Schürmann[1] auf die Einzigartigkeit der Sohnschaft, die „überdimensional“ sei und „deutlich mehr als nur der Messiastitel“. Mit einer solchen Abwertung des Messiastitels werden zugleich aber auch die Hoffnungen des Volkes Israel abgewertet. Jesus hat jedoch seine Sendung gerade so verstanden, dass er angesichts der desolaten Situation des Volkes unter der Herrschaft Roms die messianischen Hoffnungen im Volk aufgriff und stark machte. Dies wird gerade im Lukasevangelium deutlich, wenn im Anschluss an die Versuchungserzählung Jesus nach Galiläa zurückkehrt und in der Synagoge von Nazareth aus dem Buch des Propheten zitiert: „Der Geist des Herrn ruht auf mir, weil er mich gesalbt hat; er hat mich gesandt, den Armen frohe Botschaft zu bringen“ (Lk 4,16-21). Der Sohn-Gottes- Titel darf daher nicht gegen den Messiastitel ausgespielt werden.

  1. Unterscheidung zwischen Gott und Götzen

Lukas spricht davon, dass Jesus „voll des Geistes“ in die Auseinandersetzung mit dem Versucher geht. In der Kraft der vorangegangenen Taufe am Jordan widersteht Jesus den Versuchungen. Es handelt sich dabei nicht einfach um banale ‚Konsumverlockungen’, wie sie zu damaliger Zeit durch die römischen Inszenierungen von „Brot und Spielen“ üblich waren. Der Kern aller drei Versuchungen besteht darin, dem Wort Gottes unter der Herrschaft Roms nicht mehr treu zu sein. Das Wort Gottes zu hören und zu befolgen setzt voraus, auch „Nein“ sagen zu können, wenn Gottes Wort der Befreiung dem entgegensteht.

Auf diesem Hintergrund kann die Taufe nicht als ein positives Angenommen-Sein bzw. ein in die Gemeinschaft Aufgenommen-Sein verstanden werden. Die Versuchungsgeschichte macht deutlich, dass Taufe verbunden ist mit dem Auftrag, zwischen Gott und Götzen zu unterscheiden. Deutlich wird dies bei der Erneuerung des Taufversprechens in der Osternacht. Zum Bekennen des Glaubens an Christus den Auferstandenen gehört das Widersagen gegenüber den Mächten des Todes. Diese Todesmächte sind immer wieder aktuell zu bestimmen und zu benennen, heute im Zusammenhang mit der globalen kapitalistisch-patriarchalen Gesellschaftsform in ihrem Zerfall[2].

  1. Tora als Garant für den Schutz der Schwachen

Auf die erste Versuchung (aus Steinen Brot zu machen) antwortet Jesus mit einem Zitat aus dem Buch Deuteronomium (8,3). In diesem Buch projiziert Israel Erfahrungen aus späterer Zeit in die Zeit der Wüstenwanderung. Kernpunkt ist die Zerrissenheit zwischen der Anziehungskraft von Götzen und dem Impuls, auf den Gott der Befreiung zu vertrauen. Diese Auseinandersetzung spielte vor allem in der Königszeit eine große Rolle. Sie spiegelt sich in den Ereignissen während der Wanderung Israels durch die Wüste. Israel sehnt sich nach Verhältnissen wie in Ägypten und passt sich damit an Herrschaftsverhältnisse an. Jesus knüpft mit dem Zitat aus Deuteronomium an diesen Konflikt an. Israel sollte durch den Hunger in der Wüste lernen, dass ein Überleben nur dann möglich ist, wenn sich die Israeliten an das Wort Gottes halten. Gemeint ist das Einhalten jener Gebote, die ein solidarisches Miteinander ermöglichen. Dazu gehören insbesondere alle Gebote in der Tora, die die Schwachen schützen oder Fremde wie Einheimische behandeln (Ex 22-23). Gott hat in der Gabe des Mannas (Ex 16) seinerseits gezeigt, dass er sein Volk nicht im Stich lässt.

In manchen Auslegungen wird der Sinn der ersten Versuchung vor allem darin gesehen, dass Jesus zur Anwendung einer Wunderkraft verführt werden sollte bzw. ein Wunder zum eigenen Vorteil vollbringen sollte. Solche Auslegungen klingen unmittelbar eingängig, haben aber mit dem biblischen Hintergrund nichts zu tun. Sie blenden die Wichtigkeit der Tora und ihre Bedeutung für die Geschichte Israels und für den Messias Jesus aus. Es geht nicht um Brotwunder, die auf Dauer nichts verändern. Es geht um Verhältnisse, in denen niemand hungern muss. Nur im Hören auf die Tora ist ein solidarisches Zusammenleben möglich, das vor allem Arme und Schwache schützt. Die erste Versuchung zeigt, dass Jesus gekommen ist, die Tora zu erfüllen.

  1. Der Messias vor der Gewaltgeschichte

Bei der zweiten Versuchung (Niederwerfen vor dem Versucher) findet sich bei Lukas eine Ergänzung gegenüber Matthäus. Während Matthäus bei den Großreichen der Welt (die der Versucher Jesus geben will) nur von „doxa“ (Ehre, Herrlichkeit) spricht, fügt Lukas noch das Wort „exousia“ (Macht, Vollmacht) hinzu. Damit spielt er auf die Macht (lat. potestas) der römischen Amtsträger an. Hinter ihnen steht die Macht des römischen Reiches. Lukas stellt also die Sendung Jesu sehr deutlich in den Kontext der zerstörerischen Praxis der Pax Romana, die die Besiegten als Ausbeutung und Terror erleben. Die Versuchung Jesu besteht darin, mit der gleichen Gewalt zu antworten, wie es zelotische Gruppen im Sinne eines ‚politischen’ Messianismus propagiert haben. Jesus aber will Israel gerade nicht als imperiales Reich aufrichten. In der Abendmahlszene setzt sich Jesus deutlich ab von der Ausbeutungspraxis anderer Herrscher, die sich dafür auch noch Wohltäter nennen lassen. So soll es bei den Jüngern nicht sein, sie sollen sich am Verhalten Jesu und an seinem Dienst für die Armen und Schwachen orientieren (Lk 22,24-27).

Mit seiner Antwort, Gott allein zu dienen (Deuteronomium 6,13), distanziert sich Jesus von der römischen Gewaltgeschichte. Er bleibt dem Wort Gottes treu und unterwirft sich nicht der römischen Herrschaft und ihren Gewaltverhältnissen. Im Gehorsam gegenüber dem Gott Israels begibt er sich in diese Verhältnisse hinein, auch wenn es ihn das Leben kostet.

  1. Jerusalem als Bezugspunkt

Anders als Matthäus stellt Lukas die Versuchung, sich von der Tempelzinne in Jerusalem zu stürzen, an die dritte Stelle. Jesus weist mit seiner Antwort (Gott nicht zu versuchen, Deuteronomium 6,16) auf ein traumatisches Ereignis in der Geschichte von Israel hin. Am „Tag von Massa“ stellt das Volk Gott auf die Probe, indem sie fragen, ob er denn wirklich in ihrer Mitte sei (Exodus 17,2-7). Die Israeliten stellen den Sinn des Auszugs aus Ägypten grundsätzlich in Frage. Dieses Ereignis ist ein Stachel in der Geschichte Israels, das sich nicht wiederholen soll.

Nur bei Lukas heißt es, dass der Teufel vorübergehend von Jesus ablässt, nämlich „bis zur gegebenen Zeit“. Dies ist ein Hinweis auf das Leiden und Sterben Jesu in Jerusalem. Mit dieser Stadt sind die Verheißungen der Befreiung ganz besonders verbunden. In dieser Stadt zeigt sich aber auch die faktische Macht Satans, wenn Rom in der Kreuzigung Jesu seine Herrschaft demonstriert. Diese Macht überwindet der Gott Israels in der Auferweckung Jesu aus dem Tod.

Guido Groß

[1] Vgl. Heinz Schürmann (1969): Das Lukasevangelium. 1. Teil. Herders theologischer Kommentar zum Neuen Testament. Verlag Herder, Freiburg im Breisgau, 215.

[2] Vgl. dazu u.a. Ökumenisches Netz Rhein-Mosel-Saar (2020): Den Kapitalismus als Ganzes überwinden! Da es im Kapitalismus keine Alternativen gibt, brauchen wir Alternativen zum Kapitalismus, Koblenz, online: https://www.oekumenisches-netz.de/wp-content/uploads/2020/03/Ganze_final.pdf.