Christmette 2024

„In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen“ (Lk 2,1). Das Weihnachtsevangelium beginnt mit einer Zeitansage. Es buchstabiert die Botschaft von der Geburt des Messias hinein in die Zeit, in der Israel unter der römischen Gewaltherrschaft zu leiden hatte.

Heute hören wir das Weihnachtsevangelium in einer Zeit, in der viele mit Sorgen und Ängsten in die Zukunft blicken. Sie fragen: Werde ich von meiner Arbeit noch leben können? Wie sicher ist meine Rente? Wie wird es mit Gesundheit und Pflege bestellt sein? Was wird aus den Kindern?  Schüler und Schülerinnen leiden unter Depressionen und Angststörungen. Auch die globale Situation weckt Ängste: Kriege, Zerstörung der Lebensgrundlagen und als Folge davon fliehende Menschen.

Angst kann eng machen. Sie verschließt die Herzen. Ein verschlossenes Herz riskiert kaum mehr einen Blick über den eigenen Tellerrand. Dann kreisen Menschen voller Sorgen um sich selbst. Politische Rattenfänger treten als falsche Messiasse auf. Sie geben vor, Ängste und Sorgen zu verstehen. Ihr Versprechen: Eine aus dem Ruder laufende Welt kommt wieder unter Kontrolle, wenn Stärke demonstriert und hart durchgegriffen wird. Durchgegriffen wird gegen Arme und Fliehende. Ausgerechnet sie sollen schuld daran sein, dass die Welt aus dem Ruder läuft.

Lied: Gl 231,1

Heute hören wir das Weihnachtsevangelium in einer Zeit, in der Juden nirgendwo mehr sicher sein können. Beim Massaker am 7. Oktober 2023 wurde nicht nur getötet. Es wurde bestialisch gemordet, gemartert, verstümmelt, vergewaltigt… In Szene gesetzt und triumphal dokumentiert wurde, was allen Juden droht: Sie sollen vernichtet und der Staat Israel soll ausgelöscht werden.

Bereits der Antisemitismus der Nazis zielte auf die Vernichtung der Juden. Er war verwurzelt in der Vorstellung eines auf schaffender Arbeit beruhenden Kapitalismus. Die Juden wurden als Herren des Geldes, des sogenannten raffenden Kapitals, stigmatisiert. Angeknüpft wurde an Mythen von einer jüdischen Weltverschwörung, von jüdischem Geld, das die Welt regiert, von jüdischem Intellekt, der fähig ist, die Welt den Juden zu unterwerfen. Krisen des  Kapitalismus werden wahnhaft auf die Juden als Verursacher projiziert. Heute spitzt sich die Krise des Kapitalismus zu. Es ist kein Wunder, dass heute Antisemitismus die Welt überschwemmt. Er ist verbunden mit dem Wahn, die krisengeschüttelte Welt könne durch die Vernichtung der Juden gerettet werden.

Lied: Gl 231,2

Heute hören wir das Weihnachtsevangelium in einer Zeit, in der Vielfachkrisen das Leben zerstören. Sie als Krise des Kapitalismus zu benennen, scheint tabu. Über den Elefanten, der ‚im Raum‘ steht, soll nicht gesprochen werden. Vielleicht ist dies Ausdruck dafür, wie sehr er Wahrnehmung und Denken im Bann hält. Könnte es sein, dass er  ein Götze ist? Er verspricht Wohlstand für wenige, macht aber viele arm und zerstört die Grundlagen des Lebens; er jagt die Furcht ein, er könne zurückschlagen, wenn ihm nicht geopfert wird. Was er fordert, ist nicht wenig: zuerst das Leben der Armen, weltweit und in unserem Land. Geopfert werden sollen zuerst diejenigen, die ‚überflüssig‘ sind, weil ihre Arbeit nicht zu verwerten ist. Denen, die im Land leben, wird der Brotkorb höher gehangen, für Fliehende werden die Grenzen geschlossen. Geöffnet werden sie für diejenigen, deren Arbeitskraft verwertbar ist. „Schaffende Arbeit“ markiert die Grenzen zwischen denen, die dazu gehören und denen, die ausgegrenzt sind. Um Abgrenzungen wird mit harten Bandagen gekämpft. Es geht darum, sich gegen Schwächere durchzusetzen. Der Götze, der die Gesellschaft, dem Gesetz der Vermehrung vom Kapital um seiner selbst willen unterwirft und so Leben zerstört, bleibt unbenannt. Stattdessen werden persönlich Schuldige gesucht, denen das Desaster angelastet werden kann: ‚die‘ Armen‘, ‚die‘ Banker, ‚die‘ Politiker … und immer wieder neu ‚die‘ Juden.

Lied: Gl 231,4

Gebet:

Gott, du Hirte Israels, höre. Du hast dein Volk aus Knechtschaft befreit. Du hast versprochen, es als deine Herde zu weiden. Lass es nicht zugrunde gehen. Reiß die Himmel auf und komm ihm entgegen.

Gott, du Hirte Israels, in deinem Messias Jesus schenkst du allen Völkern Anteil an der  Befreiung, die du Israel geschenkt und verheißen hast. Inmitten der Katastrophen, die so viele zu erleiden haben, fragen wir: „Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt?“ Öffne den verschlossenen Himmel, öffne auch unsere verschlossenen Herzen. Öffne sie für deinen Messias und Menschensohn, dessen Geburt wir in dieser Nacht feiern. Richte sie aus auf seine Menschlichkeit und die menschliche Welt, für die er eingetreten ist, auf den neuen Himmel und die neue Erde, die uns mit ihm entgegenkommt.

Lesung: Jer 33,14-16

Der Prophet Jeremia kündigt den nach Babylon verschleppten Juden einen neuen Anfang an. Grundlage dafür sind Recht und Gerechtigkeit. Dafür steht Gott selbst. Entsprechend heißt es bei Jeremia: Gott ist unsere Gerechtigkeit. Gottes Gerechtigkeit wird gemäß der Tora Wirklichkeit in der Gerechtigkeit gegenüber den Armen und Schwachen, namentlich gegenüber Fremden, Waisen und Witwen. Dafür steht der Israel verheißene gerechte Spross aus dem Haus David.

14 Siehe, Tage kommen – Spruch des HERRN -, da erfülle ich das Heilswort, das ich über das Haus Israel und über das Haus Juda gesprochen habe. 15 In jenen Tagen und zu jener Zeit werde ich für David einen gerechten Spross aufsprießen lassen. Er wird Recht und Gerechtigkeit wirken im Land. 16 In jenen Tagen wird Juda gerettet werden, Jerusalem kann in Sicherheit wohnen. Man wird ihm den Namen geben: Der HERR ist unsere Gerechtigkeit.

Zwischengesang

Lesung: Jes 2,1-5

Hinführung:

In die Israel geschenkte Gerechtigkeit sind auch die Völker einbezogen. Israels Gott will auch sie „zurechtweisen“. Auch sie sollen ausgerichtet werden auf Wege der Gerechtigkeit. Sie beginnen da, wo Arme Gerechtigkeit erfahren und Gefangene befreit werden. Solche Gerechtigkeit schafft Frieden.

1 Das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, über Juda und Jerusalem geschaut hat. 2 Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg des Hauses des HERRN / steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. / Zu ihm strömen alle Nationen. 3 Viele Völker gehen / und sagen: Auf, wir ziehen hinauf zum Berg des HERRN / und zum Haus des Gottes Jakobs. Er unterweise uns in seinen Wegen, / auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn vom Zion zieht Weisung aus / und das Wort des HERRN von Jerusalem. 4 Er wird Recht schaffen zwischen den Nationen / und viele Völker zurechtweisen. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden / und ihre Lanzen zu Winzermessern. Sie erheben nicht das Schwert, Nation gegen Nation, / und sie erlernen nicht mehr den Krieg. 5 Haus Jakob, auf, / wir wollen gehen im Licht des HERRN.

Zwischengesang

Evangelium: Lk 2,1-14

1 Es geschah aber in jenen Tagen, dass Kaiser Augustus den Befehl erließ, den ganzen Erdkreis in Steuerlisten einzutragen. 2 Diese Aufzeichnung war die erste; damals war Quirinius Statthalter von Syrien. 3 Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen. 4 So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids. 5 Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete. 6 Es geschah, als sie dort waren, da erfüllten sich die Tage, dass sie gebären sollte, 7 und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war. 8 In dieser Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. 9 Da trat ein Engel des Herrn zu ihnen und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie und sie fürchteten sich sehr. 10 Der Engel sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll: 11 Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr. 12 Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt. 13 Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: 14 Ehre sei Gott in der Höhe / und Friede auf Erden / den Menschen seines Wohlgefallens.

 

Versuch, ein paar Fäden aus der Predigtreihe zu bündeln (s. Adventssonntage 2024):

Das Weihnachtsevangelium beginnt mit der unscheinbaren Formulierung „Es geschah“. Diese zwei Worte haben es in sich. Als Gott dem Mose den Auftrag gab, die versklavten Hebräer aus Ägypten zu befreien, hat er ihm seinen Namen geoffenbart. Dieser Name lässt sich mit der Formulierung übersetzen: Ich werde ‚geschehen‘ – und zwar als Retter und Befreier. Das, was da ‚geschieht‘ ist Befreiung. Damit der Name Gottes in seinem Volk auch weiterhin ‚geschehen‘ kann, hat er ihm die Tora als Weisungen zur Gerechtigkeit gegeben. Nur so kann die Befreiung bewahrt werden. Gerechtigkeit muss zuerst gegenüber den Armen und Schwachen, namentlich gegenüber Fremden, Waisen und Witwen geschehen. Dann kann es Frieden für alle geben. In seinem Wort der Tora ist Gott seinem Volk nahe. Es kann geschehen, was sein Name beinhaltet.

Wenn Lukas in seinen Geschichten um die Geburt Jesu immer wieder formuliert: „Es geschah“, greift er diese Zusammenhänge auf. Dabei erzählt er sein Evangelium nicht in eine Idylle, sondern hinein in die Katastrophe, die mit der Zerstörung Jerusalems und des Tempels im Krieg der Römer gegen die Juden verbunden ist, mitten hinein in Vertreibung und Flucht. Es ist eine Welt, in der der Himmel verriegelt, Wege der Gerechtigkeit und des Friedens verschlossen scheinen. Das am Boden liegende Israel sehnt sich nach Trost, nach einem Retter der aufrichtet, nach einem Licht, das die Finsternis der Katastrophe durchbricht.

Lukas will mit seinem Evangelium deutlich machen, dass Gott den Messias Jesus gesandt hat, um sein auseinander getriebenes Volk zu sammeln und aufzurichten. Er ist gesandt, den Armen das Evangelium zu verkünden, Gefangene zu befreien und Blinden Licht zu bringen … (Lk 4,16ff). Schon in der Erzählung von Jesu Geburt wird das deutlich. Den Armen soll das Evangelium verkündet werden in einer Welt, die davon geprägt ist, dass Nahrungsmittel den Armen entzogen und nach Rom exportiert werden. Befreit werden soll das unter der Herrschaft Roms gefangene Israel. Bei der Volkszählung geht es darum, das Volk für die Ausbeutung durch Steuern und Männer für die Rekrutierung als Soldaten zu registrieren. Ein Licht der Befreiung soll da aufleuchten, wo angesichts der Verzweiflung kein Licht der Hoffnung mehr zu sehen ist. Maria und Josef sind Teil des Volkes Israel, das seine Wege von Rom diktiert bekommt. Diese Wege führen in Vertreibung und Heimatlosigkeit. So finden auch Maria und Josef keine Platz in einer Herberge (V. 7). Als Obdachlose bleibt ihnen ein Platz im Stall, nicht in der Nähe von Menschen, sondern an der Seite des Vieh. Nicht in ein Himmelbett wird der Messias gebettet, sondern in einen Viehtrog gelegt.

Genau hier heißt es wieder: „Es geschah“. Mit der Geburt Jesu in einem Stall beginnen Gottes Verheißungen inmitten der Katastrophe Wirklichkeit zu werden. Die ersten, denen das Evangelium von der Geburt des Messias Jesus gilt, sind Hirten. Sie repräsentieren das arme und verachtete Volk. Es stand unter dem Generalverdacht, sich illegal Vorteile zu verschaffen. ‚Solchem Volk‘ zuerst verkündet der Engel „die große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll“ (V. 10). Was für das ganze Volk gilt, gilt zuerst den Armen und Verachteten, denen, für die in der römischen Normalität kein Platz ist: „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist Christus, der Herr“ (V. 11). Das Zeichen dafür sind Windeln und Krippe. Mit den Windeln spielt Lukas auf den Propheten Ezechiel an. Er hatte davon gesprochen, dass das von Babylon zerstörte Jerusalem „nicht in Windeln gewickelt“ (Ez 16,4) war, sondern in seinem Blut lag. Das prägt auch die Gegenwart des Lukas: Jerusalem verblutet im Krieg der Römer gegen die Juden. Ohne Lebenskraft und Hoffnung liegt es am Boden. Das aber soll jetzt anders werden. Als „Retter“ und „Wohltäter“ ließen sich die römischen Kaiser verehren. Grund zur großen Freude für die Hirten ist, dass der „Retter“ ein anderer ist, nämlich: „Christus, der Herr“. Christus ist der griechische Begriff für den jüdischen Titel Messias. In den Ohren Roms klingt dieser Titel nach Aufruhr und Umsturz. Die Antwort Roms darauf ist die Kreuzigung derer, die Roms Anspruch auf Herrschaft und damit den Frieden gefährden. Wir wissen, dass auch der Messias Jesus ein Opfer der römischen Art, Frieden und Wohlstand zu sichern, wurde. Dagegen betont Lukas: Von dem Kind in der Krippe, das am Kreuz der Römer landet, geht Frieden aus. Denn da, wo Gott und nicht dem Kaiser Ehre erwiesen wird, wird Friede möglich. Seine Grundlage ist nicht die Sicherung von Herrschaftsverhältnissen, sondern Gerechtigkeit, die den ‚Letzten‘ zuerst gilt. Dem im Stall geborenen und am Kreuz hingerichteten Messias können wir ‚über den Weg trauen, weil nach der Botschaft der Bibel Gott das ‚letzte Wort‘ spricht. Er spricht es in der Auferweckung des von Rom gekreuzigten Messias. Ihn setzt er damit ins Recht, lässt ihn die Gerechtigkeit erfahren, die den ‚Letzten‘ zuerst gilt. Wie bei der Erschaffung der Welt heißt es: Gott spricht und „es geschah“. Gottes schöpferisches Wort spannt sich als Bogen über die Geschichte: vom Beginn der Schöpfung, über die Auferweckung des Messias bis hin zu einer neuen Schöpfung in einem „neuen Himmel und einer neuen Erde“.

Das alles ist bereits in dem zu erkennen, was Lukas an Geschehnissen um die Geburt des Messias erzählt. Darin wird die Welt buchstäblich auf den Kopf gestellt. Augustus wird als ‚Herr‘ entthront und der von Rom gekreuzigte Messias zum Herrn gemacht. Die ‚ver-rückte‘ Welt kann nur ‚zu Recht‘ gerückt werden, wenn mit den Herrschaftsverhältnissen dieser ‚ver-rückten‘ Welt gebrochen wird, d.h. wenn – wie es die mit dem Messias und seiner neuen Welt schwangere Maria besingt – die Mächtigen vom Thron gestürzt und die Erniedrigten erhöht werden. Nur so kommen sie zu dem Recht und zu der Gerechtigkeit, die ihnen im Rahmen der herrschenden Verhältnisse verweigert wird. Den Weg dahin hat der Messias Jesus gezeigt. Es der Weg der Solidarität mit den Erniedrigten, mit den ‚Letzten‘, denen der Zugang zum Leben verweigert wird; es sind diejenigen, gegenüber denen Grenzen aus Mauern und Stacheldraht errichtet werden, diejenigen, denen der Brotkorb höher gehängt werden soll, damit es für die normale Gesellschaft vermeintlich weitergehen kann mit ‚Brot und Spielen‘.

Diese Normalität unterbricht der Messias, den Gott zum Anfang einer neuen Welt gemacht hat.  Als Menschensohn und Gottessohn hat er sich für eine menschliche Welt eingesetzt. Sie hat ihren Wurzeln darin, dass denen, die erniedrigt, ausgegrenzt, der Vernichtung ausgeliefert werden, Gottes Gerechtigkeit widerfährt. Sie verfährt nicht nach der Logik „zuerst ich, meine Familie, mein Land“ oder was auch immer. Je mehr sich die Krisen zuspitzen und die Verhältnisse aus dem Ruder laufen, scheint diese Logik zu greifen. Wo sie propagiert und durchgesetzt wird, werden andere zu Konkurrenten, die aus dem Rennen geworfen werden sollen. Arme und Fliehende werden zu Feinden, die abgewehrt und im Zweifel auch vernichtet werden sollen. Zerfallende Staaten und Großmächte fallen übereinander her. Es gilt das Recht des Stärkeren, der Selbstbehauptung um jeden Preis – auch um den Preis der Vernichtung des anderen bis hin zur Selbstvernichtung in der Vernichtung der Welt. Das Gefährliche daran ist: Der zerfallende Götze Kapital fordert diesen Preis. Je mehr er zerfällt, scheinen Menschen sich an ihn zu klammern. Sie meinen Auswege aus ihren Sorgen und Ängsten zu finden, wenn sie seine unersättlichen Hunger nach Vermehrung von Kapital um seiner selbst willen stillen und ihm dabei das Leben der Armen und Fliehenden und die Schöpfung als Grundlagen allen Lebens gleich mit opfern.

In der Weihnachtsbotschaft steckt eine andere Logik. Sie ist geprägt vom Weg des in der Krippe und am Kreuz erniedrigten Messias, den Gott als Herrn und Retter erhöht hat. Diese Botschaft gilt den Hirten, also den ‚Letzten‘ zuerst und darin dem ganzen Volk Israel. Und am Ende seiner Weihnachtsgeschichte (2,22ff) erzählt Lukas, dass auch die Völker in die  Rettung einbezogen sind, die Israel zuerst geschenkt ist. Bei Jesu Darstellung im Tempel proklamiert der greise Simeon die Israel geschenkte Rettung als „Licht, das die Heiden erleuchtet“  und für alle Völkern bereitet ist.

Die Bibel nennt den Messias Jesus den Menschensohn. In ihm ist Gottes Wort „Fleisch geworden“ (Joh 1,14). Gott selbst teilt sich in ihm mit, sucht in seinem erniedrigten Fleisch die Nähe aller Menschengeschwister. Seine Menschwerdung bahnt den Weg dazu, solidarische und darin menschliche Menschen zu werden. Das ist Grund zu einer widerspenstigen Hoffnung, die Kraft gibt, der sich in den Krisen unserer Tage um sich greifenden Unmenschlichkeit zu widersetzten und inmitten aller Unmenschlichkeit Zeichen der Menschlichkeit zu wagen. Gott hat den Himmel aufgerissen, damit sich geschlossene Herzen öffnen und Blicke weiten können auf die Welt, mit der Gott uns in seinem Messias entgegenkommt.

Fürbitten

Guter Gott, du bist uns in der Geschichte Israels und in deinem Messias als Retter entgegen gekommen.  Wir bitten Dich

für Israel, das vernichtet werden soll; für Jüdinnen und Juden, die an keinem Ort der Erde mehr sicher sein sollen, für diejenigen, die als Geiseln in den Händen der Hamas sind:

um Solidarität, um Widerstand gegen Antisemitismus, um die Befreiung der Geiseln, um eine menschliche Welt, um einen neuen Himmel und eine neue Erde

Gebetsruf

 

für die Palästinenser; für alle, die unter dem Terror der Hamas als lebendige Schutzschilde missbraucht werden, für diejenigen, die den Zielen von Hamas und Hisbollah geopfert werden; für die Opfer militärischer Gewalt und Zerstörung:

um Solidarität, um Befreiung von islamistischem Terror, um Wege des Friedens, um eine menschliche Welt, um einen neuen Himmel und eine neue Erde

Gebetsruf

 

für Hunderttausende, die im Sudan vom Hungertod bedroht sind, für Familien, die auseinandergerissen werden, für  die 11 Millionen Menschen, die im eigenen Land auf der Flucht sind und für alle, die in den Nachbarländern Zuflucht suchen: um Wahrnehmung ihrer Leiden, um Solidarität, eine menschliche Welt, um einen neuen Himmel und eine neue Erde

Gebetsruf

 

für Fliehende, gegen die Politiker die Instinkte ‚roher Bürgerlichkeit‘ mobilisieren und Menschlichkeit mit Füßen treten:

um einen Aufschrei der Solidarität, um die Bereitschaft, sich mit dem auseinander zu setzen, was Menschen in die Flucht treibt, um eine menschliche Welt, um einen neuen Himmel und eine neue Erde

Gebetsruf

 

Für Menschen, die als Fremde unter uns leben; für diejenigen, die Kranke und Alte pflegen und für alle, die bei uns arbeiten; für Menschen, die auf der Suche nach einem menschenwürdigen Leben zu uns kommen:

um solidarische Aufnahme, um Verständnis und Gastfreundschaft, um offene Herzen und Grenzen, um einen neuen Himmel und eine neue Erde

Gebetsruf

 

Für Menschen, die unter uns als Arme und Wohnungslose leben, für die Opfer der Spaltungen in Arme und Reiche, für diejenigen, die als Arbeitsverweigerer und Faulenzer diskriminiert werden:

um Solidarität mit Armen und allen, die keinen Platz in unserer Gesellschaft finden, um Gerechtigkeit für Arme und Benachteiligte, um Menschen, die Diskriminierungen entgegentreten, um eine menschliche Welt, um einen neuen Himmel und eine neue Erde

Gebetsruf

 

Für diejenigen, die an Hunger, auf der Flucht und in Kriegen einen vorzeitigen Tod sterben müssen, für Verstorbene aus unserer Nähe, die wir in diesen Tagen besonders vermissen, und für alle, die um sie trauern:

um eine Erinnerung, die tröstet, um Leben für unsere Toten, um einen neuen Himmel und eine neue Erde

Gebetsruf

Um all das bitten wir, weil wir darauf vertrauen, dass du Wege zu einer menschlichen Welt bahnen willst.

Herbert Böttcher/Paul Freyaldenhoven