Gottesdiensttexte und Predigt zum 2. Adventssonntag 2025 (Lesejahr A; Jes 11/Mt 3)

Kyrie:

Jesus Christus, unser Bruder und Herr!

In dir kommt uns Israels Gott der Befreiung entgegen.

Herr, erbarme dich!

In dir ist der Geist Johannes des Täufers und aller Propheten lebendig.

Christus, erbarme dich!

Du wirst wiederkommen, zu richten die Lebenden und die Toten.

Herr, erbarme dich!

Lesung;

Hinführung:

Der Prophet Jesaja spricht von Israel als einem abgeschlagenen Baumstumpf. Er steht für die Herrschaft der  Könige in Israel. Sie hat Israel den Untergang gebracht,  weil es mit seinen Königen nicht Gottes Wegen der Befreiung, sondern Götzen der Macht gefolgt ist. Dennoch lässt Gott aus dem abgehauenen Baumstumpf etwas Neues entstehen. Jesaja verbindet es mit einer Gestalt, die den Armen zu ihrem Recht verhilft und die Gewalttäter richtet.

Jes 11,1-10

1 Doch aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor, / ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht. 2 Der Geist des HERRN ruht auf ihm: / der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, / der Geist der Erkenntnis und der Furcht des HERRN. 3 Und er hat sein Wohlgefallen an der Furcht des HERRN. / Er richtet nicht nach dem Augenschein / und nach dem Hörensagen entscheidet er nicht, 4 sondern er richtet die Geringen in Gerechtigkeit / und entscheidet für die Armen des Landes, wie es recht ist. Er schlägt das Land / mit dem Stock seines Mundes und tötet den Frevler / mit dem Hauch seiner Lippen. 5 Gerechtigkeit ist der Gürtel um seine Hüften / und die Treue der Gürtel um seine Lenden. 6 Der Wolf findet Schutz beim Lamm, / der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, / ein kleiner Junge leitet sie. 7 Kuh und Bärin nähren sich zusammen, / ihre Jungen liegen beieinander. / Der Löwe frisst Stroh wie das Rind. 8 Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter / und zur Höhle der Schlange streckt das Kind seine Hand aus. 9 Man tut nichts Böses / und begeht kein Verbrechen / auf meinem ganzen heiligen Berg; denn das Land ist erfüllt von der Erkenntnis des HERRN, / so wie die Wasser das Meer bedecken. 

Evangelium: Mt 3,1-12

1 In jenen Tagen trat Johannes der Täufer auf und verkündete in der Wüste von Judäa: 2 Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe. 3 Er war es, von dem der Prophet Jesaja gesagt hat: Stimme eines Rufers in der Wüste: / Bereitet den Weg des Herrn! / Macht gerade seine Straßen! 4 Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüften; Heuschrecken und wilder Honig waren seine Nahrung. 5 Die Leute von Jerusalem und ganz Judäa und aus der ganzen Jordangegend zogen zu ihm hinaus; 6 sie bekannten ihre Sünden und ließen sich im Jordan von ihm taufen. 7 Als Johannes sah, dass viele Pharisäer und Sadduzäer zur Taufe kamen, sagte er zu ihnen: Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Zorngericht entrinnen könnt? 8 Bringt Frucht hervor, die eure Umkehr zeigt, 9 und meint nicht, ihr könntet sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann aus diesen Steinen dem Abraham Kinder erwecken. 10 Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen. 11 Ich taufe euch mit Wasser zur Umkehr. Der aber, der nach mir kommt, ist stärker als ich und ich bin es nicht wert, ihm die Sandalen auszuziehen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. 12 Schon hält er die Schaufel in der Hand; und er wird seine Tenne reinigen und den Weizen in seine Scheune sammeln; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen. 

In der Zeitung war dieser Tage zu lesen: „Veränderung ist unbequem, sie verlangt Energie und Mut. Aber wer sie verweigert, verliert… Veränderung beginnt dort, wo wir unsere Komfortzone verlassen… Wir dürfen uns nicht im Bekannten einrichten. Stillstand wirkt bequem – in Wahrheit ist er Rückschritt. Die gute Nachricht: Veränderung ist möglich. Sie beginnt mit Neugier, Disziplin und der Entscheidung, Gestalter zu sein – kein Opfer. Von nichts kommt nichts.“[1]

Beim ersten Hören könnte das nach Johannes dem Täufer klingen, nach: Kehrt um und geht neue Wege! Versprochen wird eine gute Zukunft, aber auch damit gedroht, dass diejenigen, die dem Befehl: „Raus aus der Komfortzone“ nicht folgen, zu den Verlierern gehören werden. Wer so redet, ist aber nicht Johannes, sondern ein Trainer für Unternehmen. Ihm geht es um einen Aufbruch in der Welt wie sie ist. Angesprochen sind Menschen, die es sich vermeintlich bequem machen. Gemeint dürften vor allem diejenigen sein, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Was hier klingt wie eine prophetische Rede, ist aber keine.

In der Bibel werden wahre und falsche Propheten unterschieden. Falsche Propheten reden den Königen, aber auch Teilen des Volkes, nach dem Mund. Sie verkünden da Heil, wo Unheil droht, reden die Verhältnisse da schön, wo die Verschleppung nach Babylon bevorsteht (Jer 23,17); sie reden vom Frieden und wollen nur, dass ungerechte Verhältnisse ‚in Frieden‘ gelassen werden (Jer 8,11). Nicht auf Worthülsen, nicht auf eingängige Rhetorik kommt es an, sondern auf den Inhalt. Der wiederum erschließt sich aus den zeitlichen Zusammenhängen, in denen gesprochen wird.

Der Täufer Johannes steht an der Schwelle einer Zeitenwende. Das macht er deutlich wenn er sagt: „Das Himmelreich ist nahe“ (Mt 3,2). Mit Himmelreich ist das Reich Gottes gemeint. Darin müssen die Könige dem Königtum Gottes weichen. „Der Herr ist König für immer und ewig“ (Ex 13,18), singt die Prophetin Mirjam nach dem Durchzug durch das rote Meer. In dieser Tradition singt die schwangere Maria: Gott „hat die Mächtigen vom Thron gestürzt und die Erniedrigten erhöht“ (Lk 1,52).

Die Zeitenwende beginnt in der Wüste. Hier predigt lässt Johannes. Die Wüste erinnert an Israels Weg, der zweimal durch die Wüste führte: von Ägypten in das verheißene Land und aus der Knechtschaft Babylons in die Heimat. Diesen Weg hat Jesaja im Blick, wenn er die nach Babylon Verschleppten auffordert: ‚Bahnt dem Herrn den Weg‘. Auf diesem Weg finden Gott und sein Volk wieder neu zusammen, nachdem das Königreich Israel den Götzen der Macht nach gelaufen war. Mit seinen Königen war Israel – wie es bei Jesaja heißt – zu einem abgehauenen Baumsumpf geworden. Wenn Israel zu Gottes Wegen umkehrt, kann es wieder neu aufblühen.

In Johannes ist die prophetische Tradition Israels zusammengefasst. In ihm ist lebendig, was wir im Credo bekennen, wenn wir sprechen: „Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht …, der gesprochen hat durch die Propheten.“ Gottes Geist ist uns in Israels Propheten geschenkt. Sie erheben ihre Stimme da, wo Israel auf Wege des Todes gerät, weil es Götzen der Macht statt seinem Gott der Befreiung folgt. Wenn Gottes Geist Israel wieder lebendig machen soll, muss es erkennen, dass es den Bund mit seinem Gott der Befreiung gebrochen hat und seinen Wegen der Befreiung umkehren. All das ist in Johannes zusammengefasst. Seine Stimme ist die Stimme von Israels Propheten, die Stimme des Geistes Gottes, die zur Umkehr ruft, die Stimme, die das Volk aufrichten und wieder lebendig machen will. Diese Stimme bahnt dem Messias den Weg (Mal 3,1).

Johannes tritt in einer Zeit auf, in der Israel unter der Herrschaft Roms leidet. Das Volk ist in unterschiedliche Gruppen gespalten: in Pharisäer und Essener, in Sadduzäer und Zeloten. Sie streiten darum, wie es weitergehen soll in Zeiten, in denen nicht mehr geht weiter geht und falsche Propheten das Elend schön reden und mit falschen Versprechungen daher kommen. Für Johannes ist das Maß von Armut und Erniedrigung, von Verzweiflung und falschen Versprechungen voll. Die Zeit ist reif für eine Wende: für das Reich Gottes, für das Kommen Gottes in seinem Messias.

Die anstehende Zeitenwende aber geht nicht ohne Umkehr, ohne Veränderung. Aber was heißt das? „Raus aus der Komfortzone“ kann es nicht heißen, jedenfalls nicht für den größten Teil des Volkes, das am Boden liegt. Sie passt höchstens zur Priester- und Oberschicht, die von der Herrschaft Roms profitiert. Wer wissen will, was die ‚Stunde geschlagen‘ hat, muss die Geister unterscheiden. Gottes Geist spricht nicht aus dem Bauch, sondern aus der Geschichte. Wer seine Stimme hören will, muss sich an Gottes Geschichte mit seinem Volk erinnern. Die ist geprägt von Gottes Solidarität mit den ‚Letzten‘, mit den Opfern der herrschenden Verhältnisse. Umkehr kann dann nur heißen, sich auf den Weg zu einem solidarischen Zusammenleben zu machen hin auf eine Gesellschaft, in der es keine ‚Opfer‘ und keine ‚Herren‘, keine ‚Letzten‘ und keine ‚Ersten‘ mehr gibt.

Die Wege, die unser Unternehmensberater zeigt, zielen in eine andere Richtung. Selig gepriesen werden diejenigen, die sich durchsetzen können und erfolgreich sind. Verachtet und diskriminiert wird, wer auf der Strecke bleibt. Für sie gilt: Ohne Moos nichts los. Ganz anders klingt das, was von Bischof Ferreira und Schwester Elis zu hören ist. Sie kommen aus Regionen Brasiliens, in denen immer mehr Menschen an den ökologischen Krisen leiden und sterben. Sie waren auf der Weltklimakonferenz und sind zur Zeit als Gäste von Adveniat in Deutschland unterwegs. Adveniat will ihre Stimmen in der Kirche in Deutschland zu Gehör bringen. Zu einer Bemerkung des deutschen Bundeskanzlers, der sich bei seinem Kurzbesuch der Weltklimakonferenz auch über das Stadtbild im brasilianischem Belém verächtlich geäußert hatte, sagt Schwester Elis: „Wir … müssen feststellen, wie sehr der Blick des globalen Nordens noch die alten Zustände des Kolonialismus prägt. … Man schaut von oben herab und gleichsam von außen auf uns… Deshalb bräuchten wir dringend einen Perspektivwechsel.“ Bischof Ferreira spricht von der „Vergötterung des Geldes“. Sie verlange den Zugriff auf Rohstoffe als Brennstoff für eine Wirtschaft, die auf das Geld ausgerichtet ist. Dies stehe der notwendigen Abkehr von der Verbrennung fossiler Brennstoffe und der Umkehr zu einem solidarischen Wirtschaften im Weg. In der Kirche Deutschland registriert der Bischof zwei Strömungen. Eine folge der Spur von Papst Franziskus und seiner Kritik am Kapitalismus und einer „Wirtschaft, die tötet, die andere ignoriere die Umweltprobleme[2].

Vor dem Hintergrund solcher Stimmen lässt sich verstehen, dass Johannes bei seiner Ankündigung des nahenden Reiches Gottes auf Umkehr und Gericht besteht. Gerichtet werden Verhältnisse, die Menschen, die Grundlagen des Lebens rauben, sie töten und dazu noch beleidigen. Diese Verhältnisse müssen neu aus-gerichtet werden, hin auf eine solidarische Welt, das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit. Ohne Umkehr ist – wie Johannes sagt – „schon … die Axt an die Wurzel“ (V. 10) gelegt. Ohne Umkehr treibt die Welt auf Katastrophen zu, in die auch diejenigen gerissen werden, die an der Welt, wie sie ist, festhalten wollen.

Nicht nur Johannes spricht vom Gericht. Auch von Jesus bekennen wir im Credo: Er wird „wiederkommen zu richten die Lebenden und die Toten“. Bei seiner ersten Ankunft ist er gekommen, das Reich Gottes zu verkünden. Er hat es bezeugt bis hin zu seiner Hinrichtung am Kreuz der Römer. Den von Rom gerichteten hat Gott frei gesprochen und zum Richter gemacht. So hat er seine Solidarität mit den Letzten zum Maßstab seiner neuen Welt gemacht. An der Orientierung an ihnen entscheidet sich, ob eine Gesellschaft menschlich und zukunftsfähig ist. Auf diese Welt war auch das Leben von Adolf Kolping ausgerichtet. Auf seinen Spuren bewegen sich diejenigen, die sich heute zu Kolpings Familien zusammenfinden.

Mit dieser neuen Welt kommt uns Gott in der ersten Ankunft Jesu entgegen, um uns auf diese Welt auszurichten und so aufzurichten. Bei seinem zweiten Kommen als Richter erwarten wir – wie es im Glaubensbekenntnis heißt – „die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt“. Es ist die Welt, die ge-richtet, d.h. ganz aus-gerichtet ist auf ein Leben in der Fülle von Gerechtigkeit und Solidarität, eine Welt, die den Letzten zuerst gilt und dabei so weit ist, dass daran auch die Toten Platz haben, alle, die sich der Ausrichtung auf Gottes neuen Himmel und seine neue Erde nicht verschließen.

Fürbitten

Guter Gott, du hast Israel durch die Wüste geführt. Wir bitten dich für Menschen, die in den Wüsten unserer Zeit leiden und sterben:

für all die Menschen in Indonesien, Sri Lanka, Thailand und Malaysia, deren Lebensgrundlagen durch Überflutungen zerstört sind:

um willige Helfer und um weltweite Solidarität, um den „Geist der Einsicht“ bei denen, die politisch für die Klimakrise verantwortlich sind, um Umkehr aller, die an den herrschenden Verhältnissen festhalten wollen

für Schwester Elis und Bischof Ferreira, die in Deutschland über die Auswirkungen der Klimakrise in ihrer Heimat informieren:

um Gastfreundschaft und Aufmerksamkeit, um den „Geist des Rates und der Stärke“ in ihrem Einsatz für den Schutz der globalen Grundlagen des Lebens, um Umkehr in den Ländern, deren Wirtschaft und Lebensstil die weltweiten Katastrophen verursachen

für alle, die sich für den Schutz der globalen Grundlagen des Lebens einsetzen, für Adveniat und für seine Mitarbeiter*innen in Deutschland und Lateinamerika, für alle Initiativen, die sich  Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung zur Aufgabe gemacht haben:

um Gehör und Unterstützung, um den „Geist der Erkenntnis“ zur Analyse der Verhältnisse, um den Geist der Gerechtigkeit und Solidarität bei denen, die sich der nötigen Umkehr verweigern

für Arme und Ausgegrenzte in unserem Land, für diejenigen, die nicht mehr wissen, wie sie die steigenden Lebenshaltungskosten bezahlen sollen, für Kinder, die in Armut aufwachsen, für Kranke ohne Wohnung und medizinische Versorgung:

um Augen und Herzen, die sich ihrer Not öffnen, um Menschen, in denen der Geist des Erbarmens lebendig ist, um Umkehr derer, deren Augen und Herzen verschlossen sind, um Umkehr einer Politik, die Arme und Fliehende diskriminiert und die Gesellschaft gegen sie aufhetzt

für alle, deren Gesundheit durch die Umweltkrise bedroht ist, für diejenigen, die unter einer schweren Krankheit leiden, für Berthold Langenfeld:

um eine gesunde Umwelt, um Stärkung auf den Wegen durch die Krankheit, um die Erfahrung deiner Nähe und um menschliche Begleitung, um Hoffnung auf dein Reich und seine Gerechtigkeit

für die Kirchen, die sich im Kreisen um sich selbst schwer tun, den Blick für Krisen und Katastrophen zu öffnen, um den „Geist der Gottesfurcht“, um Ehrfurcht vor Gott und Menschen in Not, um Wege der Umkehr von unternehmerischen zu prophetischen Kirchen

für diejenigen, die in den Umweltkatastrophen ihr Leben lassen mussten, für alle, die einem vorzeitigen Tod ausgeliefert waren und für all unsere Toten:

um dein aufrichtendes und auf deine neue Welt ausrichtendes Gericht, um Aufnahme in den Reich, um Hoffnung für die Toten und um Umkehr für die Lebenden

Darum bitten wir im Vertrauen darauf, dass du uns entgegenkommst im Leben und im Tod.

Herbert Böttcher, Neuwied-Engers, 6./7.12.25

[1]     Sohrab Salimi, Raus aus der Opferhaltung, in: Kölner Stadt-Anzeiger vom 14.11.25.

[2]     Vgl. Joachim Frank. „Der Norden schaut auf uns herab“ Enttäuschung bei kirchlichen Umweltaktivisten nach der Weltklimakonferenz, in: Kölner Stadt-Anzeiger vom 1.12.25.