Die hauptamtliche Stelle des Netzes steht vor dem Ende

Wir haben es schon länger kommen sehen und auch immer wieder gesagt: Die Krise des Kapitalismus macht – in Gestalt der Finanzierungskrise – auch vor den Kirchen und den von ihnen abhängigen Organisationen nicht halt. Das bedeutet Kürzung und Streichung von Mitteln für die Unterstützung von Nicht-Regierungsorganisationen. Dass dabei vor allem die Unterstützung kritischer Reflexion betroffen ist, ‚liegt in der Luft‘. Sie erscheint überflüssig, ist latenter ebenso wie manifester Theoriefeindlichkeit ausgesetzt – und das angesichts einer Krisensituation, in der aller Pragmatismus gegen die Wand fährt und sich mehr und mehr als tödlich und – bewusst oder unbewusst – einverstanden mit dem Töten erweist.

Hinzu kommen die demografische Entwicklung der sog. Basisökumene, die leider im wörtlichen Sinne ausstirbt, und die vielen Kirchenaustritte. Zugleich drehen sich die Kirchen zumindest in Deutschland mehr und mehr um sich selbst und werden zu unternehmerischen Kirchen, die sich mit esoterisierten Religionsangeboten behaupten wollen. Im Klartext: Je weniger die Fragen nach Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung in den Kirchen Raum haben bzw. in reflexionslosem Aktivismus erstickt werden, desto mehr werden auch die mit den Fragen des ökumenisch-konziliaren Prozesses verbundenen Organisationen in den Kirchen ins Abseits gestellt.

Nach der Streichung eines Großteils der institutionellen Förderungen durch kirchliche Institutionen beider Konfessionen im Verlauf der letzten fünfzehn Jahre – und gleichzeitiger tarifbedingter Gehaltserhöhungen des langjährigen Stelleninhabers – mussten wir zum 1.6.2025 die vormalige 20-Stunden-Stelle, die vor fünfzehn Jahren noch 30 Stunden umfasste, auf 13 Stunden wöchentlich kürzen. Selbst dieser Stellenumfang ist nur bis inkl. November 2025 gesichert. Der häufige Hinweis von Geldgebern, dass sie gerne bereit sind, statt institutioneller Förderung weiter Einzelprojekte des Netzes zu fördern, verfängt sich im Widerspruch, dass erstens Personalkosten zu einem zu geringen Teil getragen werden und zweitens an die Wurzel gehende Gesellschaftskritik des patriarchalen Kapitalismus meist nicht in das Prokrustesbett von Projektanträgen gezwängt werden kann. Und von Theologie wollen selbst kirchliche Geldgeber nur wenig wissen. Sie erscheint überflüssig, weil nicht unmittelbar praktisch relevant. Gefragt sind dann höchstens ausgearbeitete, auf den Einzelnen reduzierte und in einfacher Sprache verfasste Gottesdienstvorlagen, die so ‚konkret’ sind, dass sie umstandslos ‚kopiert‘ werden können. Gesellschaftliche Theoriefeindlichkeit wird in den Kirchen zur Theologiefeindlichkeit vor allem dann, wenn sie sich mit gesellschaftskritischer Reflexion verbindet und sich nicht widerspruchslos in den Gang pragmatischer und kirchenfixierter pastoraler Betriebsamkeit einfügen lässt.

Gerade die Inhalte Kapitalismuskritik und ihre Vermittlung mit Theologie sind schon mehr als einmal in Projektanträgen moniert und teilweise daraus gestrichen worden. Auch in Arbeitsbereichen und Aktivitäten (auch bei nicht-kirchlichen Geldgebern), von denen zu erwarten wäre, dass eine Verbindung zu den von uns reflektierten Inhalten nahe liegen, stoßen wir auf pragmatische (oder ideologische) Barrieren, über die wir nur um den Preis der Selbstaufgabe hinweg kämen. Dann aber hätten wir uns selbst überflüssig gemacht. Im Blick auf die gesellschaftliche Situation zeigt dies, wie der Verzicht auf gesellschafskritische bzw. kritisch-theologische Reflexion auf Affirmation, konkret auf das (uneingestandene) Einverständnis mit einer gesellschaftlichen Situation hinausläuft, die sich für immer mehr Menschen als tödlich erweist und mit der Tendenz verbunden ist, die Grundlagen allen Lebens zu zerstören.

Was bleibt, ist zu hoffen, dass wir und Menschen an anderen Orten Kraft und langen Atem haben, diesen Verhältnissen die Stirn zu bieten und deutlich zu machen, wie sehr auch die Kirchen mit diesen Verhältnissen liiert sind. Aus ekklesio-narzisstischem Aktivismus wie auch aus dem Tiefschlaf angesichts des Ölbergs und den Herausforderungen der Nachfolge können die Kirchen nur herausfinden, wenn sie lernen, Gott und Götzen zu unterscheiden. Das geht nur in der Verbindung gesellschaftskritischer und kritisch-theologischer Reflexion, die religionskritisch auch auf die Rolle der Kirchen und ihre Religionsangebote reflektiert.

Menschen, die trotz zunehmend auch privater Finanzierungs- und Teuerungskrisen unsere Vorstellungen von dem teilen, was gesellschaftlich und kirchlich ‚an der Zeit‘ ist und drängt, bitten wir darum, uns durch Eintritt in das Netz und/oder Spenden zu unterstützen. Solange Kräfte und Mittel reichen, treibt uns die sich dramatisch verschärfende weltgesellschaftliche Situation dazu weiterzumachen, damit es nicht mehr „so weiter geht“, denn das „ist die Katastrophe“wie wir von Walter Benjamin gelernt haben.

Vorstand des Ökumenischen Netzes Rhein-Mosel-Saar, Juli 2025