Diese Nacht feiern wir als Nacht der Vergebung und Versöhnung. In der Fastenzeit haben wir uns darauf vorbereitet. Im Evangelium des Lukas sind wir der Forderung begegnet: Alle müssen umkehren. Lukas schreibt sein Evangelium hinein in eine Zeit, in der Jerusalem und mit ihm der Tempel durch das römische Militär zerstört ist. Juden haben ihre Heimat und das zentrale Symbol ihres Glaubens verloren. Viele wurden vertrieben oder müssten fliehen.
Obwohl Rom die Verantwortung für diesen Terror trägt, mutet Lukas der messianischen Gemeinde auch eine kritische Selbstreflexion zu. Im Blick auf die Zerstörung Jerusalems legt er Jesus die klagenden Worte in den Mund: „Wenn du doch … erkannt hättest, was Frieden bringt“ (Lk 19,42). Keinen ‚Frieden gebracht‘ hat die Kollaboration der jüdischen Oberschicht mit Rom. Sie war mitverantwortlich für Armut und den täglich erlebten Terror. Kritisch sieht Lukas aber auch Kämpfe gegen Rom, die darauf abzielen, die römische Herrschaft durch ein eigenes Reich zu ersetzten. Eine grundlegende Neuorientierung ist nötig. Für Lukas heißt das: Alle müssen umkehren.
Kurze Pause
Impuls 1:
Der Frage nach Umkehr sind wir an den Sonntage der Fastenzeit nachgegangen. Wir haben darüber nachgedacht, was heute Menschen in Armut und Krieg, zu Flucht und Migration treibt, was heute Menschen spaltet und zu Feinden macht:
Wir erleben, dass Menschen unbarmherziger und gnadenloser miteinander umgehen – in persönlichen Beziehungen wie in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. Der Ton wird unversöhnlicher, Ellbogen werden ausgefahren. Ein Grund dafür sind Sorgen um das eigene Leben, verbunden mit Ängsten angesichts all der Krisen und Kriege. Diese sind nicht mehr weit weg, sondern greifen in den Alltag ein. Gestiegene Preise für Nahrungsmittel, Wohnung und Heizung treffen vor allem Menschen mit geringem Einkommen. In der Mittelschicht breiten sich Sorgen vor sozialem Abstieg aus. Arme werden als Bedrohung für den eigenen Lebensstandard wahrgenommen und ausgegrenzt.
Auch Politiker sind ratlos. Sie erwecken aber den Eindruck, mit autoritärem Durchgreifen eine aus dem Ruder laufende Welt unter Kontrolle bringen zu können. Durchgegriffen wird gegen Arme und Fliehende. Ausgerechnet sie sollen schuld daran sein, dass die Welt aus dem Ruder läuft. Ausgetragen und geschürt wird ein unbarmherziger Kampf, der spaltet und verfeindet. Im zerfallenden Kapitalismus droht die Konkurrenz in einen sozialdarwinistischen Kampf aller gegen alle überzugehen. Gekämpft wird darum, wer seine Position halten kann oder nach unten durchgereicht wird. Irrationale Gewaltausbrüche, der Griff zum Messer, Amokläufe und Amokfahrten kommen nicht einfach von außen, sondern aus dem Innern einer zerfallenden Welt und ihrer unbarmherzigen Kämpfe um sozialdarwinistische Selbstbehauptung.
Liedruf: Sende aus deinen Geist…
Impuls 2:
Konkurrenz- und kriegsfähig zu werden, erscheint vielen als Ausweg aus all den Krisen. Innerhalb weniger Wochen gab es in Deutschland eine Wende von einer für unverzichtbar erklärten Schuldenbremse zu einer gigantischen Verschuldung. Mit ihr verbindet sich die Illusion, ohne kritische Reflexion dessen, was in Krisen und Katastrophen treibt, den Standort Deutschland wieder konkurrenzfähig und im Rahmen eines kriegsfähigen Europa auch sicher machen zu können. Der Philosoph Jürgen Habermas stellt im Rückblick auf die Entwicklungen seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine fest: „Statt des fahnenschwenkenden Kriegsgeschreis … wäre … ein realistisches Nachdenken über die Risiken eines längeren Krieges am Platz gewesen.“[1] Besonders gefährlich ist, dass auch die bisherigen Großmächte – USA, Russland, China und Europa – in die wirtschaftlichen und politischen Krisen- und Zerfallsprozesse einbezogen sind. Dies treibt auch sie in einen darwinistischen Konkurrenzkampf um Selbstbehauptung. Ihr Agieren wird autoritärer, wirrer, unberechenbarer und gefährlicher.
Ausgeblendet bleibt Zerstörung der Lebensgrundlagen weltweit. Dass Gletscher schmelzen und die Meeresspiegel steigen, bedroht Menschen in den armen Regionen der Erde zuerst. Extreme Wetterverhältnisse sind inzwischen auch in Europa angekommen. Dass verwüsteten Regionen keine Lebensmittel mehr angebaut werden können, lässt Menschen fliehen, lässt aber auch die Preise für Lebensmittel steigen und bedroht die globale Ernährungssicherheit. Tabuisiert ist, dass der Kapitalismus auf nicht mehr zu überwindende Grenzen stößt, weil er in der Konkurrenz gezwungen ist, Arbeit durch Technologie zu ersetzen.
Liedruf: Sende aus deinen Geist…
Impuls 3:
„Alle müssen umkehren.“ Diese Forderung ist aktuell und realistisch zugleich. „Dass es ‚so weiter‘ geht, ist die Katastrophe“, hatte Walter Benjamin bereits angesichts des heraufziehenden Faschismus und des drohenden Krieges geschrieben[2]. Wer den Gang in die Katastrophen unterbrechen will, muss auf Umkehr setzen. Stattdessen klammern sich aber viele an die gewohnte Normalität des Lebens. Sie in Frage zu stellen, erscheint illusionär. Gegen solche Illusionen wird eine vermeintliche Realität gesetzt. Genau dies aber baut auf die Illusion, alles könne irgendwie doch so weitergehen wie gewohnt, wenn nur Grenzen geschlossen und Arme zur Arbeit gezwungen werden und der Standort konkurrenz- und kriegsfähig gemacht wird. Was als Orientierung an der Realität daherkommt, verleugnet die Realität, die auf die Zerstörung der Lebensgrundlagen, auf Ausgrenzung und auf einen Krieg aller gegen alle in einem tödlichen Konkurrenzkampf um Selbstbehauptung hinausläuft. Unsichtbar und unangetastet bleibt die größte aller Illusionen: der Götze Kapital, der illusionär Leben verspricht, real aber das Leben von Menschen und die Grundlagen des Lebens dem irrationalen Zweck seiner Selbstvermehrung opfert.
Liedruf: Sende aus deinen Geist…
Gebet:
Barmherziger Gott, wir haben unseren Blick auf das geschärft, was Menschen in den Krisen und Katastrophen unserer Zeit erleiden. Wir sind hin- und her gerissen zwischen Hin-Sehen und Weg-Sehen, zwischen Kritik und Anpassung, zwischen Mut und Angst. Wie Jesu Jüngerinnen und Jünger möchten wir fliehen und festhalten an einer Normalität, die in den Tod treibt.
Öffne in dieser Nacht unsere verhärteten und mutlosen Herzen. Ruf uns heraus aus der tödlichen Normalität der Verhältnisse, in der wir uns oft festklammern. Lass uns in dieser Nacht neu deine Stimme hören. Schenke uns Vergebung für unser Versagen. Erschaffe uns ein neues Herz und schenke uns einen neuen beständigen Geist. Lass uns neu zusammenfinden um deinen gekreuzigten Messias und Menschensohn.
Lesungen:
Erste Lesung: Gen 1,1-2,3 (evtl. gekürzt: Gen 1,1-5.26-2,3)
Hinführung:
Gott hat die Welt als Grundlage und Ort allen Lebens erschaffen und auf den Sabbat ausgerichtet. Er ist das Ziel, an dem Menschen unbelastet von aller Mühsal und Herrschaft zur Ruhe kommen. Den Menschen hat Gott Verantwortung für die Schöpfung übertragen. Als seine Ebenbilder sollen sie die Schöpfung und alles Leben bewahren.
Lesung aus dem Buch Genesis:
1 Im Anfang erschuf Gott Himmel und Erde. 2 Die Erde war wüst und wirr und Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser. 3 Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. 4 Gott sah, dass das Licht gut war. Und Gott schied das Licht von der Finsternis. 5 Und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag.
26 Am sechsten Tag sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Bild, uns ähnlich! Sie sollen walten über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere, die auf der Erde kriechen. 27 Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie. 28 Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen! 29 Dann sprach Gott: Siehe, ich gebe euch alles Gewächs, das Samen bildet auf der ganzen Erde, und alle Bäume, die Früchte tragen mit Samen darin. Euch sollen sie zur Nahrung dienen. 30 Allen Tieren der Erde, allen Vögeln des Himmels und allem, was auf der Erde kriecht, das Lebensatem in sich hat, gebe ich alles grüne Gewächs zur Nahrung. Und so geschah es. 31 Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Und siehe, es war sehr gut. Es wurde Abend und es wurde Morgen: der sechste Tag.
1 So wurden Himmel und Erde und ihr ganzes Heer vollendet. 2 Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er gemacht hatte, und er ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk gemacht hatte. 3 Und Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn; denn an ihm ruhte Gott, nachdem er das ganze Werk erschaffen hatte.
Zwischengesang
Zweite Lesung: Ex 14,10-12.15-15,2
Hinführung:
Die in Ägypten versklavten Hebräer hatten nach Rettung und Befreiung geschrien. Gott hat ihre Schreie gehört und Mose als Befreier gesandt. Dennoch fiel es den Hebräern schwer, sich auf den Weg der Befreiung einzulassen. Schon von Anfang an war er begleitet vom Aufstand gegen Mose, von der Versuchung, sich an der Normalität der Versklavung festzuklammern statt unsichere Wege der Befreiung zu gehen. Gott aber erweist sich als barmherzig und langmütig. Und so führt er sein Volk auch gegen Widerstände und Angst heraus aus der Knechtschaft und durch die Fluten des Meeres.
Lesung aus dem Buch Exodus:
Ex 14,10-12
10 Als der Pharao sich näherte, blickten die Israeliten auf und sahen plötzlich die Ägypter von hinten anrücken. Da erschraken die Israeliten sehr und schrien zum HERRN. 11 Zu Mose sagten sie: Gab es denn keine Gräber in Ägypten, dass du uns zum Sterben in die Wüste holst? Was hast du uns da angetan, uns aus Ägypten herauszuführen? 12 Haben wir dir in Ägypten nicht gleich gesagt: Lass uns in Ruhe! Wir wollen Sklaven der Ägypter bleiben; denn es ist für uns immer noch besser, Sklaven der Ägypter zu sein, als in der Wüste zu sterben.
14,15-15,2
15 Der HERR sprach zu Mose: … Sag den Israeliten, sie sollen aufbrechen. 16 Und du heb deinen Stab hoch, streck deine Hand über das Meer und spalte es, damit die Israeliten auf trockenem Boden in das Meer hineinziehen können! 17 Ich aber will das Herz der Ägypter verhärten, damit sie hinter ihnen hineinziehen. So will ich am Pharao und an seiner ganzen Streitmacht, an seinen Streitwagen und Reitern meine Herrlichkeit erweisen. 18 Die Ägypter sollen erkennen, dass ich der HERR bin, wenn ich am Pharao, an seinen Streitwagen und Reitern meine Herrlichkeit erweise. 19 Der Engel Gottes, der den Zug der Israeliten anführte, brach auf und ging nach hinten und die Wolkensäule brach auf und stellte sich hinter sie. 20 Sie kam zwischen das Lager der Ägypter und das Lager der Israeliten. Die Wolke war da und Finsternis und Blitze erhellten die Nacht. So kamen sie die ganze Nacht einander nicht näher. 21 Mose streckte seine Hand über das Meer aus und der HERR trieb die ganze Nacht das Meer durch einen starken Ostwind fort. Er ließ das Meer austrocknen und das Wasser spaltete sich. 22 Die Israeliten zogen auf trockenem Boden ins Meer hinein, während rechts und links von ihnen das Wasser wie eine Mauer stand. 23 Die Ägypter setzten ihnen nach; alle Pferde des Pharao, seine Streitwagen und Reiter zogen hinter ihnen ins Meer hinein. 24 Um die Zeit der Morgenwache blickte der HERR aus der Feuer- und Wolkensäule auf das Lager der Ägypter und brachte es in Verwirrung. 25 Er hemmte die Räder an ihren Wagen und ließ sie nur schwer vorankommen. Da sagte der Ägypter: Ich muss vor Israel fliehen; denn der HERR kämpft auf ihrer Seite gegen Ägypten. 26 Darauf sprach der HERR zu Mose: Streck deine Hand über das Meer, damit das Wasser zurückflutet und den Ägypter, seine Wagen und Reiter zudeckt! 27 Mose streckte seine Hand über das Meer und gegen Morgen flutete das Meer an seinen alten Platz zurück, während die Ägypter auf der Flucht ihm entgegenliefen. So trieb der HERR die Ägypter mitten ins Meer. 28 Das Wasser kehrte zurück und bedeckte Wagen und Reiter, die ganze Streitmacht des Pharao, die den Israeliten ins Meer nachgezogen war. Nicht ein Einziger von ihnen blieb übrig. 29 Die Israeliten aber waren auf trockenem Boden mitten durch das Meer gezogen, während rechts und links von ihnen das Wasser wie eine Mauer stand. 30 So rettete der HERR an jenem Tag Israel aus der Hand der Ägypter. Israel sah die Ägypter tot am Strand liegen. 31 Als Israel sah, dass der HERR mit mächtiger Hand an den Ägyptern gehandelt hatte, fürchtete das Volk den HERRN. Sie glaubten an den HERRN und an Mose, seinen Knecht.
1 Damals sang Mose mit den Israeliten dem HERRN dieses Lied; sie sagten: Ich singe dem HERRN ein Lied, / denn er ist hoch und erhaben. / Ross und Reiter warf er ins Meer. 2 Meine Stärke und mein Lied ist der HERR, / er ist mir zur Rettung geworden. / Er ist mein Gott, ihn will ich preisen; / den Gott meines Vaters will ich rühmen.
Zwischengesang
Dritte Lesung: Dtn 6,4-9.12
Hinführung:
Dass Gott Israel „aus Ägypten, dem Sklavenhaus, geführt hat“ (Dtn 6,12) soll Israel niemals vergessen. Die Erinnerung daran soll sein Gedächtnis bis in die alltäglichsten Lebenszusammenhänge prägen. In der Kraft dieser Erinnerung soll Israel auf Gott hören und seinen Weisungen der Befreiung folgen. Die eindringliche Mahnung ‚Höre Israel‘ ist die Antwort darauf, dass Gott die Schreie der Versklavten gehört hat.
Lesung aus dem Buch Deuteronomium
4 Höre, Israel! Der HERR, unser Gott, der HERR ist einzig. 5 Darum sollst du den HERRN, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. 6 Und diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen geschrieben stehen. 7 Du sollst sie deinen Kindern wiederholen. Du sollst sie sprechen, wenn du zu Hause sitzt und wenn du auf der Straße gehst, wenn du dich schlafen legst und wenn du aufstehst. 8 Du sollst sie als Zeichen um das Handgelenk binden. Sie sollen zum Schmuck auf deiner Stirn werden. 9 Du sollst sie auf die Türpfosten deines Hauses und in deine Stadttore schreiben.
12 nimm dich in Acht, dass du nicht den HERRN vergisst, der dich aus Ägypten, dem Sklavenhaus, geführt hat!
Zwischengesang
Vierte Lesung: Ex 34,4-7
Hinführung:
Die Sehnsucht nach Ägypten begleitet die Geschichte des biblischen Israel. Israel will sein wie die andren Völker auch und unterwirft sich der Herrschaft eines Königs. Symbol dafür ist das Goldene Kalb. Es wird gebaut, während Mose auf dem Sinai von Gott die Tafeln des Bundes in Empfang nimmt. Weil das Volk mit dem Bau des Kalbes den Bund gebrochen hatte, zerschmetterte Mose diese Tafeln. Der Bund ist zertrümmert. Gott aber bleibt bei dem, was er mit seinem Namen versprochen hatte: seinem Volk auf den Wegen der Befreiung die Treue zu halten. Er schreibt die Tafeln des Bundes neu und erweist sich als „barmherziger und gnädiger Gott, langmütig und reich an Huld und Treue“ (Ex 24,6). Israel kann umkehren. Dennoch kann es seine Schuld und deren geschichtlichen Folgen nicht ungeschehen machen.
Lesung aus dem Buch Exodus:
4 Da hieb Mose zwei Tafeln aus Stein zurecht wie die ersten. Früh am Morgen stand er auf und ging auf den Sinai hinauf, wie es ihm der HERR aufgetragen hatte. Die beiden steinernen Tafeln nahm er mit. 5 Der HERR aber stieg in der Wolke herab und stellte sich dort neben ihn hin. Er rief den Namen des HERRN aus. 6 Der HERR ging vor seinem Angesicht vorüber und rief: Der HERR ist der HERR, ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig und reich an Huld und Treue: 7 Er bewahrt tausend Generationen Huld, nimmt Schuld, Frevel und Sünde weg, aber er spricht nicht einfach frei, er sucht die Schuld der Väter bei den Söhnen und Enkeln heim, bis zur dritten und vierten Generation.
Zwischengesang
Fünfte Lesung: Ez 36,24-28
Hinführung:
Mit der Einführung des Königtums geriet Israel auf Abwege. Arme wurden ausgebeutet. Sie verloren ihr Land und gerieten in Schuldknechtschaft. Für sie wurde nun Israel selbst zum Sklavenhaus. Es zerfiel und wurde zum Opfer babylonischer Herrschaft. Im babylonischen Exil geschieht Umkehr. Sie gewinnt ihre Kraft aus der Erkenntnis, nicht dem Gott der Befreiung, sondern Götzen der Macht gefolgt zu sein. Seinem zur Umkehr bereiten Volk kommt Gott entgegen. Er richtet es auf, schenkt ihm ein neues Herz und einen neuen Geist. So führt er sein in der Fremde zerstreutes Volk wieder zusammen.
Lesung aus dem Buch des Propheten Ezechiel:
24 Ich nehme euch heraus aus den Nationen, ich sammle euch aus allen Ländern und ich bringe euch zu eurem Ackerboden. 25 Ich gieße reines Wasser über euch aus, dann werdet ihr rein. Ich reinige euch von aller Unreinheit und von allen euren Götzen. 26 Ich gebe euch ein neues Herz und einen neuen Geist gebe ich in euer Inneres. Ich beseitige das Herz von Stein aus eurem Fleisch und gebe euch ein Herz von Fleisch. 27 Ich gebe meinen Geist in euer Inneres und bewirke, dass ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Rechtsentscheide achtet und sie erfüllt. 28 Dann werdet ihr in dem Land wohnen, das ich euren Vätern gegeben habe. Ihr werdet mir Volk sein und ich, ich werde euch Gott sein.
Zwischengesang
Vor dem Einzug der Osterkerze
„Es war … um die sechste Stunde, als eine Finsternis über das ganze Land hereinbrach…“ (Lk 23,44). So leitet Lukas seine Schilderung des Todes Jesu ein. Aus dem Licht, das Gott am Tag eins der Schöpfung geschaffen hatte, ist Finsternis geworden. Rom hat über den Messias triumphiert. Die Jüngerschaft ist zerschlagen. In der Zeit des Lukas liegen Jerusalem und der Tempel in Trümmern. Die Juden sind zerstreut.
Der Messias und sein Einsatz dafür, dass alle umkehren und sich im Geist von Israels Gott aufrichten lassen, scheint gescheitert. Dennoch ist die Sehnsucht danach, dass Unrecht und Gewalt nicht das letzte Wort behalten, nicht ausgelöscht, das Vertrauen auf Gott nicht verdunstet. Juden, die ihre Hoffnung auf den Messias Jesus gesetzt hatten, sammeln sich neu um ihn. Mehr und mehr setzt sich das Vertrauen durch: Gott hat mit der Auferweckung des gekreuzigten Messias einen neuen „Tag eins“ geschaffen. Er selbst hat die Verhältnisse von Macht und Herrschaft umgekehrt, die Macht Roms durchkreuzt und den von ihr Gekreuzigten auf den ersten Platz gesetzt. Er wird zum Licht eines neuen Anfangs der Umkehr, zum Lichts der Hoffnung auf einen neuen Himmel und eine neue Erde.
Evangelium: Lk 24,1-11
Evangelium klassische einleiten mit: ‚Der Herr sei mit euch.‘ Das passt doch gerade in die Osternacht…
1 Am ersten Tag der Woche gingen die Frauen mit den wohlriechenden Salben, die sie zubereitet hatten, in aller Frühe zum Grab. 2 Da sahen sie, dass der Stein vom Grab weggewälzt war; 3 sie gingen hinein, aber den Leichnam Jesu, des Herrn, fanden sie nicht. 4 Und es geschah, während sie darüber ratlos waren, siehe, da traten zwei Männer in leuchtenden Gewändern zu ihnen. 5 Die Frauen erschraken und blickten zu Boden. Die Männer aber sagten zu ihnen: Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? 6 Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden. Erinnert euch an das, was er euch gesagt hat, als er noch in Galiläa war: 7 Der Menschensohn muss in die Hände sündiger Menschen ausgeliefert und gekreuzigt werden und am dritten Tag auferstehen. 8 Da erinnerten sie sich an seine Worte. 9 Und sie kehrten vom Grab zurück und berichteten das alles den Elf und allen Übrigen. 10 Es waren Maria von Magdala, Johanna und Maria, die Mutter des Jakobus, und die übrigen Frauen mit ihnen. Sie erzählten es den Aposteln. 11 Doch die Apostel hielten diese Reden für Geschwätz und glaubten ihnen nicht.
Was mir zu Lk 24,1-11 eingefallen ist:
„Am ersten Tag der Woche“. So beginnt unser Osterevangelium. Damit ist schon alles gesagt – jedenfalls dann, wenn wir den „ersten Tag“ als „Tag eins“ verstehen. Dann wird deutlich, dass Lukas mit dieser Formulierung an den „Tag eins“ der Schöpfung anknüpft. Es ist der Tag, von dem es am Anfang der Bibel heißt: „Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht“ (Gen 1,3). Dieser Tag ist nicht der erste Tag in einer Reihe von Tagen, sondern „Tag eins“. In ihm hat Gott die Schöpfung grundgelegt. Gegen „die Finsternis“, die über einer Erde lag, die als „wüst und wirr“ und finstere „Urflut“ beschrieben wird, schafft Gott das Licht im Ursprung allen Lebens.
Der neue „Tag eins“ ist der Tag der Auferweckung des gekreuzigten Messias. Er steht gegen die „Finsternis“, die mit seiner Hinrichtung über die Erde kam. Es ist die Finsternis einer Erde, in der Menschen unter einer Herrschaft leiden, die auf Unrecht und Gewalt gegründet ist. Ihr fallen nicht zuletzt diejenigen zum Opfer, die sich ihr wie der gekreuzigte Messias widersetzen. Dieser Finsternis hat Gott mit der Auferweckung des Gekreuzigten widersprochen und selbst ein deutliches Zeichen der Umkehr gesetzt – der Umkehr von der Finsternis zum Licht. Gott hat einen neuen „Tag eins“ geschaffen und so eine neue Schöpfung, einen neuen Himmel und eine neue Erde grundgelegt. Der Gekreuzigte ist das Licht dieser neuen Schöpfung. Dafür steht die Osterkerze als das „Lumen Christi“.
Die Botschaft von der Auferweckung des Gekreuzigten wäre missverstanden, wenn sie „vom Einzelnen her“ gedacht würde. An der Auferweckung des Gekreuzigten redet vorbei, wer sie auf die Hoffnung reduziert, dass das Leben auch nach dem Tod weitergeht. Mit der Auferweckung des Gekreuzigten, geht gerade nicht alles weiter. Gerade das „ist“ ja – wie Walter Benjamin einschärft – „die Katastrophe“. Im Gegenteil: In einem „neuen Himmel und einer neuen Erde“ wird es anders. Er beinhaltet Umkehr, die Umkehr der Verhältnisse durch Gott. Diese Umkehr hatte die schwangere Maria bereits zu Anfang des Evangelium nach Lukas besungen: Gott „stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen“ (Lk 1,52). Darin erweist sich Gottes Barmherzigkeit, darin „denkt er an sein Erbarmen“. So besingt es Maria. Dieses Erbarmen hat er in der Auferweckung des Gekreuzigten geschehen lassen: Der am Kreuz der Römer Erniedrigte ist zum Anfang einer neuen Schöpfung geworden, einer Welt, deren Maßstab das Leben der Armen und Erniedrigten, der Opfer der herrschenden Verhältnisse ist.
Die Auferweckung des Gekreuzigten als neuen „Tag eins“ zu verstehen, rückt sie als Gottes Umkehr der Verhältnisse ins Licht. Die Botschaft des Lukas: „Alle müssen umkehren“ ist mit Ostern nicht zu Ende, sondern in ein neues Licht gerückt. Gott selbst hat einen neuen Anfang der Umkehr gesetzt. Diese Umkehr soll in unseren „Gedanken, Worten und Werken“ lebendig werden. Sie lassen sich nicht mehr durch von Götzen der Herrschaft verhärteten Herzen bestimmen. Sie lassen sich prägen von einem neuen, von der Klarheit Gottes gereinigten Herzen, von einem neuen Geist, der Wege der Umkehr erfasst und sie in der Kraft der Auferweckung des Gekreuzigten gehen lässt.
So ist es kein Zufall, dass unser Osterevangelium ganz von der Umkehr bestimmt ist. Der Weg der Frauen zum Grab ist ein Weg aus einer Angst, die sich verkriecht, zur mutigen Solidarität mit dem Gekreuzigten. Weil dieser Weg gefährlich ist, müssen die Frauen ihn „in aller Frühe“ gehen. Sie wissen, auch denen droht die Kreuzigung, die verdächtigt werden, mit einem von Rom Hingerichteten zu sympathisieren. Am Grab müssen sie sich kritisch fragen lassen: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ (Lk 24,5). Sie müssen umkehren von einem Weg, der Solidarität mit einem Toten bekundet, hin zu einem Weg, der den Spuren eines Lebenden folgt.
Den Gekreuzigten als den Lebenden erfassen, können sie nur, wenn sie sich an das erinnern, „was er … gesagt hat, als er noch in Galiläa war“ (Lk 24,6). Dort hatte er ihnen gesagt, der Menschensohn müsse an Rom ausgeliefert werden, werde aber am dritten Tag auferstehen. Das Wort ‚muss‘ mag manche irritieren. In der jüdischen Tradition bringt es zum Ausdruck, dass Jesu Weg eingebettet ist in Gottes Wege der Befreiung mit seinem Volk Israel. Da ‚mussten‘ gerade diejenigen, die als Knechte Gottes sich den Verhältnissen widersetzten, die Erfahrung machen, ausgegrenzt, verworfen und mit dem Tod bedroht zu werden. Sie durften aber auch darauf vertrauen, dass diese Erfahrung nicht schon alles war. Aus der Schrift waren sie mit der Hoffnung darauf vertraut, dass Gott ‚am Ende‘ sein ‚letztes Wort’ des Lebens und der Befreiung sprechen werde wie er die Welt ‚am Anfang‘ durch sein Wort ins Leben gerufen hatte.
Die Erinnerung an das, was Jesus „gesagt hat, als er noch in Galiläa war“, ist also eingebettet in die große Erinnerung der jüdischen Tradition. Dafür stehen die „zwei Männer in leuchtenden Gewändern“ (Lk 24,4), die den Frauen am Grab begegnen. Es sind Mose und Elija. Ihre „leuchtenden Gewänder“ sind ein Abglanz des österlichen Lichts, das auf sie fiel, als sie bei Jesu Verklärung mit ihm „von seinem Ende sprachen, das er in Jerusalem erfüllen sollte“ (Lk 9,31). Beide repräsentieren die jüdische Tradition. Mose steht für den Weg der Befreiung aus Ägypten, Elija für die Umkehr zum Gott der Befreiung in der Abkehr von den Götzen der Herrschaft.
Die Erinnerung an Israels Gott und den Weg mit seinem Volk, darf nicht verdunsten. Deshalb muss sie im Gedächtnis des Volkes verankert sein. Genau das bringt das zentrale Gebot zum Ausdruck „Höre Israel, unser Gott, der HERR ist einzig“ (Dtn 6,4). Er soll das ganze Herz, die ganze Seele, die ganze Kraft erfüllen. Deshalb sollen diese Worte wiederholt werden vor dem Schlafen und beim Aufstehen, beim Weggehen und beim Heimkommen. Sie sollen im Alltag gleichsam omnipräsent sein: als Zeichen geschrieben auf Stirn und Handgelenk, auf Türpfosten und Stadttore. In diesen Worten kristallisiert sich die Erinnerung an Gottes Wege der Befreiung und der Umkehr mit seinem Volk. Nur wenn diese Erinnerung das ganze Leben prägt, können Gottes Wege der Befreiung gegangen und die Hoffnungen, die damit verbunden sind, lebendig bleiben. Das gilt auch für diejenigen, die Israels Gott auf dem Weg des Messias Jesus nachfolgen und seine Auferweckung als Ausdruck der Treue Gottes zu dem verstehen, was er Israel versprochen hat.
Die Wege der Umkehr zielen auf Versöhnung. In unserem Evangelium heißt es: Die Frauen „kehrten vom Grab zurück und berichteten das alles den Elf und den Übrigen“ (Lk 24,9). Alle sollen in die Umkehr einbezogen werden. Diejenigen, die angesichts des Kreuzes aus Angst oder Resignation davon gelaufen und sich getrennt hatten, sollen um den Auferweckten wieder zusammenfinden, aufgerichtet und neu auf seinen Weg ausgerichtet werden. Dies soll – so die Hoffnung des Lukas – ein Weg sein, auf dem ganz Israel, das in unterschiedliche Gruppen gespalten ist, angesichts der Zerstörung Jerusalems und des Tempels versöhnt werden kann. Es soll als Gottes Volk so zusammenfinden, dass die Verheißung des Ezechiel an die nach Babylon Verschleppten in Erfüllung geht: „Ihr werdet mir Volk sein und ich, ich werde euch Gott sein“ (Ez 36,28). Damit noch nicht genug: Im Namen des gekreuzigten und von Gott auferweckten Messias „wird man allen Völkern Umkehr verkünden, damit ihre Sünden vergeben werden“ (Lk 24,47).
Sünde ist vor allem das, was den Opfern angetan wird. Als Opfer der Gewalt hatte der sterbende Jesus für die gebetet, die seinen Tod exekutiert und betrieben haben: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 19,34). Vergebung und Versöhnung kann es nicht hinter dem Rücken der Opfer geben. Das wäre eine erneute Demütigung. Auch in einer neuen Schöpfung ist kein Mechanismus der Gnade denkbar, der solche Versöhnung möglich machen könnte. Eine andere Sichtweise wird erkennbar, wenn der gekreuzigte Messias als Opfer für seine Henker betet. Hier kommt eine Geschichte der Versöhnung ‚jenseits‘ der Gewalt- und Herrschaftsgeschichte in den Blick. Ihre Möglichkeit wird betend und fragend dem Geheimnis Gottes anvertraut. Sie bleibt gebunden an die Erinnerung des Leids und die Frage, wie es dazu kommen konnte und an das Wissen, dass es ohne das Ende einer Geschichte, in der herrschende Gewalt über ihre Opfer triumphiert keine Versöhnung geben kann.
Damit ist die Frage nach Versöhnung zurück gebunden an die Wege der Umkehr, die inmitten der Herrschafts- und Gewaltgeschichte unserer Gegenwart zu gehen sind. Wir können sie gehen neu gestärkt durch die Kraft der Auferweckung des Gekreuzigten, im Vertrauen darauf, dass Gott selbst darin die Verhältnisse umgekehrt hat hin auf einen neuen Himmel und eine neue Erde. Sie darf sich tragen lassen von der „Sehnsucht …, dass der Mörder nicht über das unschuldige Opfer triumphieren möge“, von der „Hoffnung, dass es bei diesem Unrecht, durch das die Welt gekennzeichnet ist, nicht bleibe“, dass „das Unrecht nicht das letzte Wort“[3] haben möge, dass vielmehr Gott selbst sein letztes rettendes und befreiendes Wort endgültig spreche und so wahr mache, was er in der Auferweckung des Gekreuzigten begonnen hat.
Vor dem Taufbekenntnis:
Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Philipper
Hinführung:
Die Taufe verbindet uns mit Jesu Tod und Auferweckung, mit dem Beginn des neuen Himmels und der neuen Erde. Dies soll unser Leben prägen. Paulus will ganz aus der Erkenntnis Christi und der „Macht seiner Auferstehung“ leben. Deshalb kehrt er um. Er lässt seine alte Welt hinter sich und streckt sich nach einer Zukunft aus, die geprägt ist von der Auferweckung des Gekreuzigten. Diese Umkehr führt an die Seite derer, die unter Unrecht und Gewalt leiden. Sie ist getragen von der Sehnsucht, dass ungerechte Verhältnisse und die mit ihnen verbundene Gewalt nicht das ‚letzte Wort‘ haben mögen.
Text: Phil 3,8-14
8 Ja noch mehr: Ich halte dafür, dass alles Verlust ist, weil die Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, alles überragt. Seinetwegen habe ich alles aufgegeben und halte es für Unrat, um Christus zu gewinnen 9 und in ihm erfunden zu werden. Nicht meine Gerechtigkeit will ich haben, die aus dem Gesetz hervorgeht, sondern jene, die durch den Glauben an Christus kommt, die Gerechtigkeit, die Gott schenkt aufgrund des Glaubens. 10 Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit seinen Leiden, indem ich seinem Tod gleich gestaltet werde. 11 So hoffe ich, auch zur Auferstehung von den Toten zu gelangen. 12 Nicht dass ich es schon erreicht hätte oder dass ich schon vollendet wäre. Aber ich strebe danach, es zu ergreifen, weil auch ich von Christus Jesus ergriffen worden bin. 13 Brüder und Schwestern, ich bilde mir nicht ein, dass ich es schon ergriffen hätte. Eines aber tue ich: Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich nach dem aus, was vor mir ist. 14 Das Ziel vor Augen, jage ich nach dem Siegespreis: der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus.
Erneuerung des Taufbekenntnisses:
In der Fastenzeit haben wir uns auf die Erneuerung des Taufbekenntnisses vorbereitet. Wir haben uns kritisch mit unserer Gesellschaft auseinandergesetzt, die unter dem Zwang steht, Kapital um seiner selbst willen zu vermehren. Wir haben danach gefragt, in wie weit wir Geist und Logik dieser Gesellschaft in unseren „Gedanken, Worten und Werken“ übernehmen. Nun sind wir gefragt, diesem Geist und dieser Logik zu widersagen und uns zu Gott und seinem Messias und dem Geist, der von beiden ausgeht, zu bekennen. So frage ich:
Widersagt ihr dem Geist und der Logik der Vermehrung von Kapital um seiner selbst willen, einer Herrschaft, die Menschen in den Tod treibt und die Grundlagen des Lebens zerstört?
Glaubt ihr an Israels Gott, der sein Volk aus Knechtschaft befreit, der versprochen hat, auch mit uns Wege der Befreiung zu gehen und uns seinen Messias an die Seite gestellt hat?
Glaubt ihr an den Messias Jesus, der den Armen und Erniedrigten und darin seinem Gott die Treue gehalten hat bis zum Tod am Kreuz der Römer? Glaubt ihr, dass Gott ihn auferweckt, ihn zum Richter und Maßstab, zum Anfang eines neuen Lebens und einer neuen Welt gemacht hat?
Glaubt ihr an den Heiligen Geist, der von Israels Gott und seinem Messias ausgeht? Glaubt ihr an diesen Geist, der uns ein neues Herz scheint und unseren Geist erneuert, der uns aufrichtet und neu ausrichtet auf Wege der Rettung und Befreiung? Glaubt ihr, dass er uns die Erkenntnis schenkt, zwischen Gott und Götzen zu unterscheiden und uns die Kraft gibt, gegen die Götzen unserer Zeit auf- und für das Leben aller Menschengeschwister einzustehen?
Fürbitten:
Jesus, unser Bruder und Herr, Gott hat dich auferweckt. Mit den Wundmalen an deinem auferweckten Leib bleibst du denen verbunden, die bis heute von Verhältnissen des Unrechts und der Gewalt aufs Kreuz gelegt werden. Wir bitten dich in dieser Nacht:
für alle, die heute Opfer ungerechter Verhältnisse werden: für Juden, die von Vernichtung bedroht sind und auch in Deutschland Angst haben, sich in der Öffentlichkeit als Juden zu zeigen, für Menschen in Palästina, die von Lebensmitteln und medizinischer Versorgung abgeschnitten sind und kaum mehr Möglichkeiten zur Flucht in einem nicht enden wollenden Krieg haben. Wir bitten für Menschen, deren Lebensgrundlagen zerstört werden, die arm gemacht und in die Flucht getrieben werden, für alle, die auch in unserer Gesellschaft verarmen und zugleich ausgegrenzt und diffamiert werden:
um Menschen an ihrer Seite, um dein Licht der Befreiung, um Auferstehung, um einen neuen Himmel und eine neue Erde
für alle, die verzweifelt sind und nicht mehr weiterwissen, für alle, die in Beziehungen niedergedrückt werden, für Frauen und Kinder, die häusliche Gewalt erleiden, für Menschen, die einsam sind, für diejenigen die allein bleiben in ihrem Scheitern, in Krankheit, Alter und Tod:
um Menschen an ihrer Seite, um dein Licht der Befreiung, um Auferstehung, um einen neuen Himmel und eine neue Erde
für alle, die sich dafür einsetzen, dass Menschen leben können: für alle, die sich an die Seite von Armen und Verzweifelten stellen, für diejenigen, die sich für Geflüchtete einsetzen, sie aus Seenot und vor Abschiebung retten, für alle, die in ihren Berufen Menschen in ihren Nöten und Ängsten begleiten, für diejenigen, die Kranke und Sterbende pflegen, für alle, die sich Verhältnissen widersetzten, die Menschen ausgrenzen und dem Tod ausliefern:
um die Erfahrung von Solidarität, um dein Licht der Befreiung, um Auferstehung, um einen neuen Himmel und eine neue Erde
für diejenigen, die in dieser Nacht getauft werden und für alle Christen und Kirchen, die gesandt sind, an der Seite derer zu stehen, die ‚aufs Kreuz gelegt‘ werden, gesandt zu heilen und zu helfen und sich durch mutige Kritik Götzen zu widersetzten, mit denen Herrschaft überhöht und Leid gerechtfertigt wird:
um die Kraft deines Geistes, um dein Licht der Befreiung, um Auferstehung, um einen neuen Himmel und eine neue Erde
Darum bitten wir dich im Vertrauen darauf, dass du Menschen nahe sein willst als Retter und Befreier.
Herbert Böttcher/Paul Freyaldenhoven
[1] Jürgen Habermas, Ein Appell für Europa. Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung, 21.3. 25.
[2] Walter Benjamin, Das Passagen-Werk, Gesammelte Schriften V 1, Frankfurt am Main 72015, 592.
[3] Max Horkheimer, Die Sehnsucht nach dem ganz Anderen (Gespräch mit Helmut Gumnior), in: ders., Gesammelte Schriften Band 7: Vorträge und Aufzeichnungen 1949 – 1973, Frankfurt am Main 1985, 385 – 404, 389.