Bußgottesdienst 2023 (15.3.23, 18h, KHG Koblenz): „Menschen, die die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten“ (Röm 1,18)

Gl 422

Kyrie

Messias Jesus, unser Bruder und Herr,

Du hast dich für Gerechtigkeit und Wahrheit eingesetzt, wie sie im Namen Gottes lebendig sind.

Herr, erbarme dich!

Am Kreuz bist du zum Opfer der Herrschaft Roms geworden, in der die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niedergehalten und das Bild des lebendigen Gottes mit dem Bild des Kaisers vertauscht worden war.

Christus, erbarme dich!

In der Macht deiner Auferstehung schenkst du uns Gemeinschaft mit Gott und Widerstandskraft gegen die Macht des Kapitalismus, in dem heute die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niedergehalten wird und dein Name durch Religion missbraucht wird.

Herr, erbarme dich!

Gebet

Guter Gott, im Leben, im Tod und in der Auferweckung Jesu willst du uns neu entgegenkommen. Lass uns in der Vorbereitung auf Ostern hellhörig werden und wach für die Verkehrungen von Wahrheit und Lüge, Befreiung und Unterdrückung, Leben und Tod, Gott und Götzen in unserer Welt. Lass uns erkennen und bekennen, wie wir diese Verkehrungen in unserem Fühlen und Denken, Reden und Tun, in Schweigen und Resignation reproduzieren, und die so verkehrte Welt festigen. Verbirg dein Angesicht nicht vor unseren Verstrickungen. Schenke uns ein neues Herz und einen widerständigen Geist. Darum bitten wir…

Lied: Gl. 266, 1-4

Bekenntnis:

Wir vertrauen darauf, dass du nach uns suchst und uns findest wie verlorene Schafe. Wir wissen, dass wir immer wieder neu zusammengeführt werden müssen, damit in uns Dein Name lebendig sein kann. So bekennen wir unsere Verstrickungen in die Welt des Kapitalismus.

Impuls 1

In der Welt des Kapitalismus reden sie von Freiheit und meinen die Freiheit zu kaufen und zu verbrauchen, die Freiheit, möglichst schnell und bequem alle Orte erreichen zu können – mit welchen Mitteln auch immer. Sie reden von Freiheit und setzen der Reisefreiheit von Fliehenden tödliche Grenzen, verweigern ihre Rettung und bestrafen die Retterinnen und Retter. Sie reden von Gleichheit und messen Fliehende mit zweierlei Maß, teilen sie ein in für den Kapitalismus Nützliche und Überflüssige. Sie reden von Integration und schotten die Welten der Nützlichen vor den Überflüssigen ab. Sie reden von Menschenrechten und machen Rücknahme-Deals mit menschenverachtenden Regimen.

Stille

Schenke uns einen neuen Geist, der uns beständig macht in kritischem Nachdenken und widerständig im Reden und Handeln.

Liedruf: Gl 266 Kv

Stille

Von Frieden reden sie nicht mehr in der Welt des Kapitalismus. Umso mehr reden sie vom Recht der Ukraine auf ihre Verteidigung und meinen den Stellvertreterkrieg, den Menschen aus der Ukraine für das führen, was sie dann westliche Freiheit nennen. Sie reden vom Sieg des Guten über das Böse und meinen den Sieg des westlichen Kapitalismus über seine östlichen Konkurrenten. Sie reden von Verteidigung der Menschenrechte und meinen Rüstung und Vernichtung. Sie reden von Realismus und Vernunft und befeuern den Weg in den Wahn atomarer Vernichtung.

Stille

Schenke uns einen neuen Geist, der uns beständig macht in kritischem Nachdenken und widerständig im Reden und Handeln.

Stille

Liedruf: Gl 266 Kv

Impuls 3

Im Kapitalismus reden sie von Vielfachkrisen und vermeiden es, nach der Krise des Kapitalismus zu fragen, die die Vielfachkrisen ‚im Innersten‘ zusammenhält. Sie reden von Vielfalt und Diversität und sind blind für die Uniformität, die von der Unterwerfung unter das Gesetz der Verwertung von Kapital erzwungen wird. Sie reden von Transformation und meinen Veränderungen im Rahmen der herrschenden Verhältnisse. Sie reden vom Handeln und meinen ein Handeln, das den kapitalistischen Rahmen nicht antastet. Sie reden von Zukunft und ignorieren die gegenwärtigen Katastrophen und bereiten zukünftigen Krisen den Weg. Sie reden von Fortschritt und schreiten über Leichenberge hinweg. Sie können sich das Ende der Welt vorstellen, aber nicht das Ende des Kapitalismus.

Stille

Schenke uns einen neuen Geist, der uns beständig macht in kritischem Nachdenken und widerständig im Reden und Handeln.

Liedruf: Gl 266 Kv

Stille

Impuls 4

In den Kirchen reden sie von Gott und meinen Religion. Sie reden von einem höheren Wesen und meinen eine Überhöhung der Verhältnisse. Sie reden von Spiritualität und meinen esoterische Innerlichkeit und Fügsamkeit. Sie reden von einem Glauben für heute und meinen eine Religion, die passend ist zu den Verhältnissen. Sie reden davon, für ‚die‘ Menschen dazu sein und meinen spirituelle Angebote für diejenigen, die den Druck, sich in darwinistischer Selbstbehauptung in die Verhältnisse des Kapitalismus anzupassen, die zur Natur geworden sind. Sie reden von Gott, buchstabieren aber nicht die Inhalte, die mit dem Gottesnamen verbunden sind. Sie reden von Gott und unterscheiden nicht Gott und Götzen. Sie reden von Wahrheit und tasten die Strukturen nicht an, die sie durch Unrecht niederhält. Ihre Religion ist der Kapitalismus. Gott hat darin keinen Platz. Er kann diese Religion nur sprengen.

Stille

Schenke uns einen neuen Geist, der uns beständig macht in kritischem Nachdenken und widerständig im Reden und Handeln.

Liedruf: Gl 266 Kv

Stille

Erste Lesung: Röm 1,18-32

18 Denn der Zorn Gottes wird vom Himmel herab offenbart wider alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten. 19 Denn es ist ihnen offenbar, was man von Gott erkennen kann; Gott hat es ihnen offenbart. 20 Seit Erschaffung der Welt wird nämlich seine unsichtbare Wirklichkeit an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen, seine ewige Macht und Gottheit. Daher sind sie unentschuldbar. 21 Denn obwohl sie Gott erkannt haben, haben sie ihn nicht als Gott geehrt und ihm nicht gedankt, sondern verfielen in ihren Gedanken der Nichtigkeit und ihr unverständiges Herz wurde verfinstert. 22 Sie behaupteten, weise zu sein, und wurden zu Toren 23 und sie vertauschten die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes mit Bildern, die einen vergänglichen Menschen und fliegende, vierfüßige und kriechende Tiere darstellen. 24 Darum lieferte Gott sie durch die Begierden ihres Herzens der Unreinheit aus, sodass sie ihren Leib durch ihr eigenes Tun entehrten. 25 Sie vertauschten die Wahrheit Gottes mit der Lüge, sie beteten das Geschöpf an und verehrten es anstelle des Schöpfers – gepriesen ist er in Ewigkeit. Amen. 26 Darum lieferte Gott sie entehrenden Leidenschaften aus: Ihre Frauen vertauschten den natürlichen Verkehr mit dem widernatürlichen; 27 ebenso gaben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau auf und entbrannten in Begierde zueinander; Männer treiben mit Männern Unzucht und erhalten den ihnen gebührenden Lohn für ihre Verirrung. 28 Und da sie es nicht für wert erachteten, sich gemäß ihrer Erkenntnis an Gott zu halten, lieferte Gott sie einem haltlosen Denken aus, sodass sie tun, was sich nicht gehört: 29 Sie sind voll Ungerechtigkeit, Schlechtigkeit, Habgier und Bosheit, voll Neid, Mord, Streit, List und Tücke, sie verleumden 30 und treiben üble Nachrede, sie hassen Gott, sind überheblich, hochmütig und prahlerisch, erfinderisch im Bösen und ungehorsam gegen die Eltern, 31 sie sind unverständig und haltlos, ohne Liebe und Erbarmen. 32 Sie erkennen, dass Gottes Rechtsordnung bestimmt: Wer so handelt, verdient den Tod. Trotzdem tun sie es nicht nur selbst, sondern stimmen bereitwillig auch denen zu, die so handeln.

Erste Reflexion im Gespräch, danach kurze Auslegung

Zwischengesang: Ps 51 kombiniert mit Kv Gl 639,1-2

Ps 51

3 Gott, sei mir gnädig nach deiner Huld, tilge meine Frevel nach deinem reichen Erbarmen! 4 Wasch meine Schuld von mir ab und mach mich rein von meiner Sünde! 5 Denn ich erkenne meine bösen Taten, meine Sünde steht mir immer vor Augen. 6 Gegen dich allein habe ich gesündigt, ich habe getan, was böse ist in deinen Augen. So behältst du recht mit deinem Urteilsspruch, lauter stehst du da als Richter. 7 Siehe, in Schuld bin ich geboren und in Sünde hat mich meine Mutter empfangen. 8 Siehe, an Treue im Innersten hast du Gefallen, im Verborgenen lehrst du mich Weisheit. 9 Entsündige mich mit Ysop, dann werde ich rein; wasche mich und ich werde weißer als Schnee! 10 Lass mich Entzücken und Freude hören! Jubeln sollen die Glieder, die du zerschlagen hast. 11 Verbirg dein Angesicht vor meinen Sünden, tilge alle Schuld, mit der ich beladen bin! 12 Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz und einen festen Geist erneuere in meinem Innern! 13 Verwirf mich nicht vor deinem Angesicht, deinen heiligen Geist nimm nicht von mir! 14 Gib mir wieder die Freude deines Heils, rüste mich aus mit dem Geist der Großmut! 15 Ich will die Frevler deine Wege lehren und die Sünder kehren um zu dir. 16 Befreie mich von Blutschuld, Gott, du Gott meines Heils, dann wird meine Zunge jubeln über deine Gerechtigkeit! 17 Herr, öffne meine Lippen, damit mein Mund dein Lob verkünde! 18 Schlachtopfer willst du nicht, ich würde sie geben, an Brandopfern hast du kein Gefallen. 19 Schlachtopfer für Gott ist ein zerbrochener Geist, ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verschmähen. 20 Nach deinem Wohlgefallen tu Gutes an Zion, erbaue wieder die Mauern Jerusalems! 21 An Schlachtopfern der Gerechtigkeit, / an Brandopfern und an Ganzopfern hast du Gefallen, dann wird man auf deinem Altar Stiere opfern.

Zweite Lesung: Röm 3,21-31

21 Jetzt aber ist unabhängig vom Gesetz die Gerechtigkeit Gottes offenbart worden, bezeugt vom Gesetz und von den Propheten: 22 die Gerechtigkeit Gottes durch Glauben an Jesus Christus, offenbart für alle, die glauben. Denn es gibt keinen Unterschied: 23 Alle haben ja gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren. 24 Umsonst werden sie gerecht, dank seiner Gnade, durch die Erlösung in Christus Jesus. 25 Ihn hat Gott aufgerichtet als Sühnemal – wirksam durch Glauben – in seinem Blut, zum Erweis seiner Gerechtigkeit durch die Vergebung der Sünden, die früher,[1] 26 in der Zeit der Geduld Gottes, begangen wurden; ja zum Erweis seiner Gerechtigkeit in der gegenwärtigen Zeit, um zu zeigen: Er selbst ist gerecht und macht den gerecht, der aus Glauben an Jesus lebt. 27 Wo bleibt da noch das Rühmen? Es ist ausgeschlossen. Durch welches Gesetz? Durch das der Werke? Nein, durch das Gesetz des Glaubens. 28 Denn wir sind der Überzeugung, dass der Mensch gerecht wird durch Glauben, unabhängig von Werken des Gesetzes. 29 Oder ist Gott nur der Gott der Juden, nicht auch der Heiden? Ja, auch der Heiden, 30 da doch gilt: Gott ist der Eine. Er wird aufgrund des Glaubens sowohl die Beschnittenen wie die Unbeschnittenen gerecht machen. 31 Setzen wir also durch den Glauben das Gesetz außer Kraft? Im Gegenteil, wir richten das Gesetz auf.

Erste Reflexion im Gespräch, danach kurze Auslegung

Zu den Auslegungen vgl. https://www.oekumenisches-netz.de/2023/03/verhaeltnisse-in-denen-die-wahrheit-durch-ungerechtigkeit-niedergehalten-wird-zum-roemerbrief/

Gl 629

Fürbitten

Guter Gott, Jesus hat der Versuchung widerstanden, auf Herrschaft und Gewalt zu setzen. Wir bitten dich angesichts der Versuchungen, über andere Menschen und über die Schöpfung herrschen zu wollen:

Für die Opfer des Krieges in der Ukraine, die den Angriffen Russlands ausgesetzt sind:

um Wege zu Gerechtigkeit und Frieden; um kreative Wege, dem Zynismus der Macht zu widerstehen; um Kraft gegen Versuchungen der Gewalt; um Umkehr.

Guter Gott, …

Für Politiker, die auf Sieg und Vernichtung setzen und so die Spirale der Gewalt befeuern; für diejenigen, die über den Krieg berichten und ihn kommentieren; für alle, die sich mit ihm auseinandersetzen:

um den Geist der Gerechtigkeit und des Friedens; um die Kraft, den Versuchungen der Militarisierung des Denkens und Handelns zu widerstehen; um die Fähigkeit und die Bereitschaft zu selbstkritischem Nachdenken; um Umkehr.

Guter Gott, …

Für die Opfer des Erdbebens in der Türkei und in Syrien; für alle, die sich einsetzen, um zu helfen:

um Wege durch die Verzweiflung; um Hoffnung, die aufrichtet; um die Kraft, Wege der Solidarität weiterzugehen; um Einsicht der Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik in ihre Mitverantwortung für die Katastrophe; um die Kraft, den Versuchungen des Vergessens und des ‚Weiter so!‘ zu widerstehen; um Umkehr.

Guter Gott, …

Für die Opfer, die angesichts der aktuellen Katastrophen vergessen werden, die Opfer all der Kriege und Gewalttaten weltweit; für die Opfer des Hungers und der Zerstörung der Schöpfung; für die Fliehenden; für Arme und Wohnungslose in unserer Gesellschaft, bei denen die Ausgaben für Krieg und gigantische Aufrüstung eingespart werden:

um Empfindsamkeit für das Leid und einen weiten Blick; um kritisches Nachdenken über die Verhältnisse, die in Katastrophen führen; um Kraft gegen die Versuchung, alles scheinbar alternativlos laufen zu lassen.

Guter Gott, …

Für die Kirchen, die Militarisierung ‚absegnen‘ und zu Frieden und Gerechtigkeit schweigen:

um Wachsamkeit gegen die Versuchungen, an der Seite der Mächtigen mitmischen zu wollen; um Erkenntnis von ‚gut‘ und ‚böse‘ aus der Perspektive Gottes; um Umkehr zu den Wegen des Messias Jesus.

Guter Gott, …

Für die Toten aus unserer Nähe, heute besonders für … (Intentionen einfügen); für alle, die um ihre Toten trauern; für diejenigen, die den Tod verdrängen und die Toten vergessen:

um Auferweckung der Toten und um Trost für die Trauernden; um Widerstand gegen die Versuchung, sich mit dem Tod abzufinden.

Guter Gott, …

Darum bitten wir im Vertrauen darauf, dass du für alle wahrmachst, was du mit deinem Namen versprochen und in Jesu Leben, Tod und Auferstehung schon hast Wirklichkeit werden lassen.

Schuldbekenntnis:

Die Frage der Umkehr von den Götzen des Todes zu den Wegen des Lebens fokussiert sich auf die Frage, ob wir den Bruch riskieren, heute mit der Herrschaft des Kapitalismus, ob wir es wagen, von diesem Bruch her wahrzunehmen, zu denken und zu widerstehen. Dies setzt die Erkenntnis der Fetischzusammenhänge und die unserer Verstrickungen voraus.

Weil wir alle Sünder sind, weil wir alle der Herrschaft der Sünde nicht entgehen und sie in unseren „Gedanken, Worten und Werken“ reproduzieren, bekennen wir:

Ich bekenne Gott, dem Allmächtigen,
und allen Brüdern und Schwestern,

dass ich Gutes unterlassen und Böses getan habe.

Ich habe gesündigt in Gedanken, Worten und Werken

durch meine Schuld,

durch meine Schuld,

durch meine große Schuld.

Darum bitte ich die selige Jungfrau Maria,

alle Engel und Heiligen,

und Euch, Brüder und Schwestern,

für mich zu beten bei Gott, unserem Herrn.

Amen

(Text: Gl 582, 4A)

Zusage der Vergebung

Magnificat: Gl 634,3.4

Segen und Sendung