Der Verlag zu Klampen bewirbt die unlängst erschienene und durch ein Nachwort ergänzte Neuauflage des zuerst 2003 erschienenen Buches »Weltordnungskrieg« damit, dass es sich um einen »Klassiker der Gesellschaftskritik« handele. Dem kann man nur zustimmen.
Zur Erinnerung: Mit dem ideologischen Durchmarsch des Neoliberalismus und der als »Globalisierung« bezeichneten Verschmelzung nationalstaatlicher Ökonomien zum Weltkapital verbanden nicht wenige Kommentatoren zunächst die Hoffnung, dass auf die jahrzehntelange Konfrontation militärischer Machtblöcke eine Phase vergleichsweise friedlichen Wirtschaftswachstums folgen könne. Bekanntlich erwies sich das als falsch.
Die nach Demontage der Sowjetunion und des osteuropäischen Bündnissystems losbrechende und bis heute andauernde Welle von Angriffskriegen und Aggressionen des »Westens« – überwiegend gegen schwächelnde oder bereits zusammengebrochene Staaten Osteuropas, Afrikas und Asiens – führte auch zur Entstehung einer bellizistischen Strömung, die sich als »links« verstand. Dennoch wurden die ersten dieser »Weltordnungskriege«, wie sie der 2012 verstorbene Robert Kurz in seinem Buch genannt hat, durch große, heute kaum mehr vorstellbare Aktionen der Friedensbewegung behindert. Weltweit demonstrierten im Februar 2003 sechs Millionen Menschen gegen den Irak-Krieg, davon allein 700.000 in Berlin. Die FAZ titelte am Folgetag: »Größte Demo aller Zeiten«.
Kurz war einer der ganz wenigen linken Publizisten, die damals die Hintergründe der brutal durchgezogenen Militäreinsätze analysierten. Diese Hintergründe suchte und fand er im ökonomischen Bereich: Der alte, fordistisch strukturierte Kapitalismus sei am Ende; eine neue Welle mikroelektronisch gestützter Produktivkraftentwicklung teile die Welt in Gewinner- und Verliererregionen. In nicht wenigen dieser Verliererregionen krachte mit der Wirtschaft dann auch die Staatlichkeit zusammen. Es folgten Bürgerkriege, kriminelle Verteilungskämpfe, nationalistische und tribalistische Gemetzel. Der Krieg des Jahres 2003 gegen den Irak war, wie im Buch ausführlich nachgewiesen, auch dadurch motiviert, den Zufluss von billigem Erdöl für die kapitalistischen Volkswirtschaften zu sichern.
Eine »Befriedung« der Zusammenbruchsregionen wurde durch die Weltordnungskriege nicht erreicht und konnte auch nicht erreicht werden. Im Gegenteil: Die Zerstörung einstmals noch funktionierender Infrastruktur im Bomben- und Granathagel schuf den Nährboden für weitere Kämpfe. Kurz verglich die Militärinterventionen daher mit einem »Panzernashorn«, das »gegen seine eigenen Darmviren kämpfen und ›gewinnen‹« will. Mit dieser Einschätzung hatte er, wie gerade der Abzug des »Westens« aus Afghanistan zeigte, durchaus recht.
Kurz idealisierte aber auch die Akteure in den umkämpften Regionen nicht und polemisierte stellenweise heftig gegen Warlords, Banditen und Paten der Plünderungsökonomie. Insgesamt gesehen zog er aber schon damals den Schluss, dass der »demokratische Gesamtimperialismus weitaus mehr Menschenleben auf dem Gewissen (habe) als sämtliche Warlords, Gotteskrieger, Neonazis, Selbstmordattentäter und Amokläufer zusammengenommen«. Er thematisierte zudem die Schrecken der »Elendswanderung« von Teilen der Bevölkerung in den Zusammenbruchsregionen.
Kurz hat gezeigt: So etwas wie Frieden gibt es im Kapitalismus nicht – dieser ist vom Grundsatz her eine Gesellschaft einander zerfleischender Konkurrenzsubjekte. Er widmete sein Buch den »namenlosen Opfern der demokratischen Bombergemeinschaft und des ökonomischen Terrors«. Noch deutlicher kann eine Anklage schwerlich formuliert werden.
Gerd Bedszent
Quelle: junge Welt