Buchveröffentlichung: Theologische Reflexion als Kritik gesellschaftlicher Krisenverhältnisse

Theologische Reflexion als Kritik gesellschaftlicher Krisenverhältnisse

Zu Herbert Böttchers „Religionskritik, Gottesverdunstung und Apokalyptik in Krisenzeiten“

Theologie, Glaube und Kirche werden oft als stabilisierende Faktoren in Krisen verstanden. Der Glaube gilt als Hilfe für die Bewältigung individueller Lebenskrisen und gesellschaftlich als Ressource der Orientierung in den diversen Krisensituationen. Auch Herbert Böttcher knüpft an die Krisen an, die das Leben der Individuen wie das gesellschaftliche Zusammenleben mehr und mehr unter Druck bringt, weil die Kontrolle über individuelles wie gesellschaftliches Leben mehr und mehr verloren geht. Dies ist kein Zufall, sondern Ausdruck dafür, dass der Kapitalismus auf Grenzen stößt, die im Rahmen des Kapitalismus nicht mehr überwunden werden können. Statt sich dem zu stellen, kommt es dazu, dass sich Individuen und Politik an eine illusionären gesellschaftliche Normalität klammern und vorgeben Kontrollverluste durch Abschottung, Militarisierung, Autoritarismus und Rückgriff auf identitäre Vorstellungen von Volk und Nation bis hin zu Klasse und Klassenkampf bewältigen zu können.

An diese Konstellationen können theologische Reflexion und kirchliche Verkündigung nicht einfach affirmativ anknüpfen. Im Blick auf den Kontext des einbrechenden Kapitalismus wären – so Böttcher – die jüdisch-christlichen Traditionen kritisch zur Geltung zu bringen. Sie artikulieren sich in der Bibel als Religionskritik, die auf die Unterscheidung zwischen Gott und Götzen, d.h. zwischen dem biblischen Gott der Befreiung und Götzen, die Herrschaft legitimieren und überhöhen. Solche Religionskritik ist zugleich Herrschaftskritik, Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen der Über- und Unterordnung wie Kritik an einer Religion, die solche Verhältnisse legitimiert und stabilisiert. Angesichts der gegenwärtigen Krisensituation gewinnen die apokalyptischen Traditionen der Bibel besonderes Gewicht. Sie artikulieren sich als Kritik an den griechischen und römischen Herrschaftsverhältnissen, die sich so totalisiert haben, dass eine Aussicht auf immanente Veränderung nicht mehr möglich erscheint. Befreiung kann nur noch als Bruch mit den herrschenden Verhältnissen gedacht werden.

Aus der Erinnerung an biblische Traditionen lässt sich jedoch keine unmittelbare theologische Gesellschaftskritik ableiten. Sie muss sich in Verbindung mit einer kritischen Gesellschaftsanalyse herauskristallisieren. Daher insistiert Böttcher auf der notwendigen Verbindung von Theologie und gesellschaftskritischer Analyse. In den Texten dieses Buches buchstabiert er sie in der Auseinandersetzung mit den aktuellen sozialen, politisch-ökonomischen und kirchlichen Krisenerscheinungen.

Das Buch erscheint im LIT-Verlag und kann hier bestellt werden.