‚Humanitäre’ Abschiebungen?!

„‚Humanitären’ Kriegseinsätzen folgen ‚humanitäre’ Abschiebungen.“ So kommentiert der Vorstand des Ökumenischen Netzes Rhein-Mosel-Saar die Aufforderung der „Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit“ (GIZ) an Nichtregierungsorganisationen, sich an dem Programm „Startfinder“ für zur Ausreise bereite Flüchtlinge zu beteiligen.

Zusammen mit anderen Behörden wie dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sollen im Auftrag der Bundesregierung für MigrantInnen „bessere Startchancen in ausgewählten Herkunftsländern“ geschaffen werden, heißt es in einer Mail der GIZ an das Ökumenische Netz. Nichtregierungsorganisationen sollen das initiierte Programm Startfinder „ausprobieren und bei ihren Klientinnen und Klienten bekannt machen“. Dabei sollen sie auf die „Unterstützungsangebote in Deutschland, z.B. reintegrations-vorbereitende Maßnahmen, (und) Beratungsangebote (zu) Weiterbildungen, Jobsuche, Selbstständigkeit und weiteren Themen“ in den Herkunftsländern aufmerksam machen.

Das Projekt der GIZ steht im Zusammenhang einer verschärften Politik der Abwehr von Flüchtlingen. Diese reicht von der tödlichen Abschottung der Grenzen, den europäischen Außengrenzen vorgelagerten Flüchtlingslagern bis zu Abschiebungen auch in Länder, in denen die Lebensgrundlagen zusammengebrochen sind oder den Flüchtenden durch Gewalt und Terror Gefahr für Leib und Leben droht. An die Seite solch repressiver und inhumaner Flüchtlingspolitik soll nun ein ‚humanitärer‘ Ausreiseköder treten.

Mit Ausreiseprämien, die als ‚Startkapital’ für mögliche Gründungen von (Kleinst-)Unternehmen, Weiterbildungen usw. genutzt werden könnten, sollen Menschen aus Ländern wie Afghanistan, Irak, Kosovo oder Nigeria dazu bewogen werden, Deutschland zu verlassen. Dabei wird – darauf hat auch medico international hingewiesen – in Kauf genommen, dass Menschen verhungern, verschleppt, gefoltert und getötet werden.

Ausgerechnet in zerfallenden Staaten, in abgehängten und verarmten Weltregionen, die unter der Herrschaft konkurrierender Banden zu Plünderungsökonomien verkommen, sollen Flüchtlinge neue Existenzen gründen und perspektivlos zerstörte Regionen in ‚blühende Landschaften‘ verwandeln. Angesichts der nicht mehr lösbaren Verwertungskrise des Kapitals bleibt nüchtern festzustellen: Die Vorstellungen einer ‚nachholenden Entwicklung‘ sind gescheitert. Und es macht keinen Sinn, sie illusionär zu befeuern. Die Krisenverwaltung des zerfallenden Kapitalismus greift in ihrer die Krise verleugnenden Rat- und Planlosigkeit jedoch zu immer neuen zynischen Mitteln, um die Existenz des Kapitalismus weiter zu verlängern.

Der Vorstand des Ökumenischen Netzes ruft die zur Zusammenarbeit in der Anti-Flüchtlingspolitik eingeladenen Nichtregierungsorganisationen dazu auf, solche Zusammenarbeit zu verweigern und ihrem Zynismus offensiv zu widersprechen. Statt immer neuer und zynischer Maßnahmen der Krisenverwaltung käme es darauf an zu begreifen, dass der Kapitalismus nicht dazu in der Lage ist, ein sozial sicheres und humanes Leben zu ermöglichen, und Wege seiner Überwindung auf die Agenda zu setzen. Angesichts eines solchen Perspektivenwechsels könnten Nichtregierungsorganisationen eher der Versuchung widerstehen, ihre eigene Bedeutung an den Katzentischen der politisch-ökonomischen Krisenverwaltung unter Beweis stellen zu wollen.

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