Ein Stück Brot – Kurzkommentar zu Fronleichnam

Um ein Stück Brot geht es an Fronleichnam. Manche mögen einwenden: Es geht um mehr, um den Leib Christi. Das Stück Brot und der „Leib Christi“ sind aber nicht zu trennen. Es ist weder Zufall noch Willkür, dass die Gegenwart Christi in einem Stück Brot gefeiert wird. Das hängt nicht an einem magischen Zauber, der mit Jesu Wort „Das ist mein Leib“ verbunden wäre. Christlicher Gottesdienst feiert keine mythische Verzauberung, sondern eine geschichtliche Erinnerung: die Erinnerung an das Leben, den Tod und die Auferweckung Jesu. Diese Erinnerung ist eingebunden in die Erinnerung an Israels Gott und seine Wege der Befreiung aus den Sklavenhäusern der Geschichte. Aus der Kraft dieser Erinnerung hat Jesus gelebt und sich der Herrschaft Roms widersetzt – einer Herrschaft, unter der Arme ihr Land verloren und brotlos wurden.

Wenn in dem Stück Brot der „Leib Christi“ erinnert wird, dann ist all das darin gegenwärtig. Dann lässt sich diese Erinnerung nicht mit dem Rücken zu denen feiern, denen das Brot durch die heutigen kapitalistischen Verhältnisse verweigert wird: Denn nur wer über Kaufkraft verfügt, kann sich Brot leisten. Und auch das Land, das zum Anbau von ‚Brot‘ nötig ist, unterliegt den Gesetzen kapitalistischer Rentabilität. Die Folgen sind Landvertreibungen, Anbau für den Export, Produktion von Viehfutter, Biodiesel etc. statt Lebensmittel.

Der „Leib Christi“ kann nicht ohne ‚Wandlung‘ erinnert werden. Der erinnernde Blick auf das Stück Brot – wie er in dem Wort „Das ist mein Leib“ zum Ausdruck kommt – ‚verwandelt‘ es zum Leib Christi. Und er verwandelt diejenigen, die Jesus und Israels Gott vertrauen, in Menschen, die unter den heutigen Herrschaftsverhältnissen versuchen, Jesu Weg zu gehen.

Herbert Böttcher, Pastoralreferent i.R. und Vorsitzender des Ökumenischen Netzes Rhein-Mosel-Saar e.V.

Erstveröffentlichung in „Am Wochenende“ am 10./11.62023