Gott oder Götzen? Die Goldsäule Nebukadnezars

Dan 3,1-23.91.92

1 König Nebukadnezzar ließ ein goldenes Standbild machen, sechzig Ellen hoch und sechs Ellen breit, und ließ es in der Ebene von Dura in der Provinz Babel aufstellen. 2 Dann berief König Nebukadnezzar die Satrapen, Präfekten und Statthalter ein, die Räte, Schatzmeister, Richter und Polizeiobersten und alle anderen hohen Beamten der Provinzen; sie sollten zur Einweihung des Standbildes kommen, das König Nebukadnezzar errichtet hatte. 3 Da versammelten sich die Satrapen, Präfekten und Statthalter, die Räte, Schatzmeister, Richter und Polizeiobersten und alle anderen hohen Beamten der Provinzen zur Einweihung des Standbildes, das König Nebukadnezzar errichtet hatte. Sie stellten sich vor dem Standbild auf, das König Nebukadnezzar errichtet hatte. 4 Nun verkündete der Herold mit mächtiger Stimme: Ihr Männer aus allen Völkern, Nationen und Sprachen, hört den Befehl! 5 Sobald ihr den Klang der Hörner, Pfeifen und Zithern, der Harfen, Lauten und Sackpfeifen und aller anderen Instrumente hört, sollt ihr niederfallen und das goldene Standbild verehren, das König Nebukadnezzar errichtet hat. 6 Wer aber nicht niederfällt und es verehrt, wird noch zur selben Stunde in den glühenden Feuerofen geworfen. 7 Sobald daher alle Völker den Klang der Hörner, Pfeifen und Zithern, der Harfen, Lauten und Sackpfeifen und der anderen Instrumente hörten, fielen alle Völker, Sippen und Sprachen sogleich nieder und verehrten das goldene Standbild, das König Nebukadnezzar errichtet hatte. 8 Sogleich traten einige Chaldäer auf und verleumdeten die Judäer. 9 Sie sagten zum König Nebukadnezzar: O König, mögest du ewig leben. 10 Du, König, hast einen Befehl erlassen: Jeder soll niederfallen und das goldene Standbild verehren, wenn er den Klang der Hörner, Pfeifen und Zithern, der Harfen, Lauten und Sackpfeifen und aller anderen Instrumente hört. 11 Wer aber nicht niederfällt und verehrt, wird in den glühenden Feuerofen geworfen. 12 Nun sind da einige Judäer, denen du die Verwaltung der Provinz Babel anvertraut hast: Schadrach, Meschach und Abed-Nego. Diese Männer, o König, missachten deinen Befehl: Deinen Göttern dienen sie nicht und das goldene Standbild, das du errichtet hast, verehren sie nicht. 13 Da befahl Nebukadnezzar voll Zorn und Wut, Schadrach, Meschach und Abed-Nego herbeizuholen. Man führte die Männer also vor den König. 14 Nebukadnezzar sagte zu ihnen: Ist es wahr, Schadrach, Meschach und Abed-Nego: Meinen Göttern dient ihr nicht und das goldene Standbild, das ich errichtet habe, verehrt ihr nicht? 15 Nun, wenn ihr bereit seid, sobald ihr den Klang der Hörner, Pfeifen und Zithern, der Harfen, Lauten und Sackpfeifen und aller anderen Instrumente hört, sofort niederzufallen und das Standbild zu verehren, das ich habe machen lassen, ist es gut; verehrt ihr es aber nicht, dann werdet ihr noch zur selben Stunde in den glühenden Feuerofen geworfen. Wer ist der Gott, der euch retten könnte aus meiner Hand? 16 Schadrach, Meschach und Abed-Nego erwiderten dem König Nebukadnezzar: Wir haben es nicht nötig, dir darauf zu antworten: 17 Siehe, unser Gott, dem wir dienen, er kann uns retten. Aus dem glühenden Feuerofen und aus deiner Hand, König, wird er uns retten. 18 Und wenn nicht, so sei dir, König, kundgetan, dass wir deinen Göttern nicht dienen und das goldene Standbild, das du errichtet hast, nicht verehren. 19 Da wurde Nebukadnezzar wütend; sein Gesicht verzerrte sich vor Zorn über Schadrach, Meschach und Abed-Nego. Er ließ den Ofen siebenmal stärker heizen, als man ihn gewöhnlich heizte. 20 Dann befahl er, einige der stärksten Männer aus seinem Heer sollten Schadrach, Meschach und Abed-Nego fesseln und in den glühenden Feuerofen werfen. 21 Da wurden die Männer, wie sie waren – in ihren Mänteln, Röcken und Mützen und den übrigen Kleidungsstücken – gefesselt und in den glühenden Feuerofen geworfen. 22 Nach dem strengen Befehl des Königs war aber der Ofen übermäßig geheizt worden und die herausschlagenden Flammen töteten die Männer, die Schadrach, Meschach und Abed-Nego hingebracht hatten. 23 Die drei Männer aber, Schadrach, Meschach und Abed-Nego, fielen gefesselt in den glühenden Feuerofen.

91 Da erschrak der König Nebukadnezzar; er sprang auf und fragte seine Räte: Haben wir nicht drei Männer gefesselt ins Feuer geworfen? Sie gaben dem König zur Antwort: Gewiss, König! 92 Er erwiderte: Ich sehe aber vier Männer frei im Feuer umhergehen. Sie sind unversehrt und der vierte sieht aus wie ein Göttersohn.

Zum wirtschaftlich-sozialen und politischen Hintergrund der Geschichte

Nebukadnezar steht für die hellenistische Herrschaft, der Juda ab 332 und bis 64 v.Chr. unterworfen war. Unter ihrer Gewalt hatte das Volk Israel in mehrfacher Hinsicht schwer zu leiden. Es ist ökonomisch abhängig und fremder Herrschaft unterworfen. Davon profitieren Teile der Oberschicht, weil sie im hellenistischen Raum neue wirtschaftliche Möglichkeiten entdecken. Kulturell und religiös übt die griechische Kultur eine große Anziehungskraft auf die Oberschicht aus. Israels Befreiergott, der für Gerechtigkeit und Solidarität steht, ist ‚unmodern’ geworden. Er passt nicht mehr zu den neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten und Herausforderungen.

Das Standbild, das Nebukadnezar errichten lässt, ist aus Gold (Dan 3,1). Gold steht für die hellenistische Wirtschaft. Die Perser hatten bereits für ihren Herrschaftsbereich Münzen als Zahlungsmittel in Umlauf gebracht. Damit wurde nicht nur der Handel gefördert. Auch Tributleistungen ließen sich leichter eintreiben. Tribute mussten nicht mehr primär in Form realer Güter (z.B. als Abgaben von Naturalien) geleistet werden. Der Wert der Abgaben konnte nun auch in Münzen ausgedrückt und eingezogen werden. Sie wurden als Schatz gehortet und damit der ‚Zirkulation‘ entzogen. Die hellenistischen Städtegründer und Heerführer nun plünderten die vorwiegend in Tempeln gehorteten Schätze und warfen die gold- und silberträchtigen Münzen wieder in die ‚Zirkulation‘. Der in ihnen enthaltene Wert von Gold und Silber vermittelte Austauschprozesse zwischen der hellenistischen sowie der vorder- und mittelasiatischen Ökonomie.

Von den Menschen werden harte ‚Anpassungsleistungen‘ verlangt. In Palästina gehörte eine immer größer werdende Schicht freier landwirtschaftlicher Produzenten zu den Verlierern. Ihr sozialer Abstieg lässt sie zu Sklaven werden. Sklavinnen und Sklaven sind diejenigen, die die Reichtümer produzieren, die mittels Münzen, aber auch in Form von Naturalien bewertet und ausgetauscht werden. Die Reproduktion der SklavInnen soll so billig wie möglich sein, damit ein möglichst hoher Überschuss erwirtschaftet wird. Angesichts des riesigen Angebots an Sklavinnen und Sklaven braucht oft nicht einmal das zur Reproduktion unbedingt Nötige bezahlt zu werden. Es war billiger, neue Sklavinnen und Sklaven zu kaufen, also verbrauchte einfach gegen neue auszutauschen, als sie am Leben zu erhalten zumal sie ohnehin nicht als Menschen jedenfalls wenn sie Fremde waren , sondern als Gebrauchswerkzeuge angesehen wurden.

Die jüdische Oberschicht war gespalten. Ein Teil sah in der Zusammenarbeit mit den Griechen neue wirtschaftliche Möglichkeiten. Sie setzte also auf einen ‚Modernisierungsprozess‘. Dazu gehörte auch die Öffnung für griechische Kultur und Religion. Israels Gott, von dem die Bibel erzählt, dass er auf der Seite der Armen und Unterdrückten steht, passte nicht mehr in die neue Zeit, zumal der Glaube an ihn mit den Gedanken der Solidarität und Gerechtigkeit untrennbar verbunden war. Seine Gesetze enthielten verbindliche Vorschriften, die das Leben der Armen sichern sollten. Sie reichten von Schutzrechten bis hin zu Eingriffen in die Verteilung der Güter und in die Eigentumsordnung. Ein anderer Teil der Oberschicht bemühte sich um die Treue zur Tora und ihre Gebote der Gerechtigkeit. Genau das aber brachte viele auf die Verliererstraße. Sie waren dem harten wirtschaftlichen Konkurrenzkampf nicht mehr gewachsen. Ihnen drohten Verarmung und Versklavung. Ihr Schicksal wurde zum ‚Beweis’ dafür, dass mit Israels Befreiergott kein ‚Staat’ zu machen sei.

Vor diesem Hintergrund kommt es zum Aufstand der Makkabäer. Er wurde von Aufständischen aus der Jerusalemer Unterschicht und der verarmten Landbevölkerung geführt, die sich unter der Führung einer niedrigen Priesterfamilie, der Makkabäer, zusammenfanden. Er wurde unterstützt von dem frommen Teil der Oberschicht, die sich um die Treue zur Tora und darin zum Gott Israels bemühte, aber von sozialem Abstieg bis hin zur Sklaverei bedroht war. Dazu gehörten wesentlich die von den extremen Hellenisten aus ihren Positionen gedrängten einflussreichen Schriftgelehrten (Chasidim). Sie gaben dem Kampf soziale Anerkennung und religiöse Legitimation. In ihm verbanden sich die Forderungen nach Gerechtigkeit, Befreiung und Geltung von Tora und JHWH-Kult.

Dan 3 – eine Geschichte des Widerstands

Die drei jüdischen Männer, von denen in Dan 3 erzählt wird, stehen für den Widerstand, den Juden gegen die ‚ökonomisch-politisch-religiöse‘ Fremdbestimmung durch die griechischen Großreiche geleistet haben. Es sind hohe Beamte, die die Gunst des Königs genossen haben. Als solche waren sie eingebunden in das Machtsystem des Königs. Ihre Loyalität hat aber deutliche Grenzen. In ihrem Verhalten spiegelt sich noch die Hoffnung, durch den politischen Einfluss jüdischer Beamter zu einer Bekehrung der Herrscher beizutragen und Veränderungen im Sinne des jüdischen Glaubens zu ermöglichen. Trotz immer wiederkehrender Angriffe und Verfolgung sahen sie zunächst die Chance, eine Gesellschaft zu schaffen, in der fromme Juden guten Gewissens und von den Herrschern geachtet leben, ja sogar leitende Regierungsaufgaben wahrnehmen konnten. Hinter diesen Traditionen stehen Angehörige der Oberschicht, die versuchen, politischen Einfluss auszuüben. Sie erhoffen, mit Hilfe der Herrscher den Glauben an Gott und die damit verbundene Ordnung der Gerechtigkeit schützen und ausbreiten zu können.

Juda/Judäa gerät aber immer mehr unter den ökonomischen, politischen und kulturellen Druck der griechischen Herrschaft. Damit stoßen die optimistischen Hoffnungen, im Rahmen des Bestehenden Veränderungen zu erreichen, an ihre Grenzen. An die Stelle von Reformbemühungen tritt Widerstand. Mit ihm verbindet sich eine apokalyptische Widerstandstheologie gegen Ausbeutung und Fremdherrschaft sowie die mit ihr verbundene kulturell-religiöse Unterdrückung.

Der Widerstand hat seine religiösen Wurzeln im Glauben an den Gott Israels. Dieser Glaube steht für ein solidarisches und freies Zusammenleben. Gott hat sein Volk befreit, damit es in Verhältnissen leben kann, in denen alle leben können und Zugang haben zu dem, was sie zum Leben brauchen. Dies soll seinen Ausdruck finden in solidarischen Strukturen des Zusammenlebens, in denen alle als ‚Ebenbilder Gottes’ an der Gestaltung des Zusammenlebens teilhaben. Deshalb können weder Fremdherrschaft der griechischen Reiche noch Machtansprüche der eigenen Oberschicht hingenommen werden. Vor diesem Hintergrund ist unsere Geschichte ein Teil der Praxis und der Theologie des Widerstands gegen Ausbeutung, Unterdrückung sowie kulturell-religiöse Fremdbestimmung.

Das goldene Standbild – Symbol totaler Herrschaft

Mit dem goldenen Standbild beschreibt Dan 3 die totalitäre Form der hellenistischen Weltreiche: Der Großkönig lässt aus Gold (einem Symbol des Mammon) ein Standbild machen, vor dem alle Menschen sich niederwerfen sollen. Aus dem Gold macht Nebukadnezar einen Kultgegenstand, einen Gegenstand göttlicher Verehrung, einen Götzen. In ihm spiegeln sich Reichtum und Macht. Indem Menschen sich vor dem goldenen Standbild niederwerfen, erkennen sie Nebukadnezars Herrschaft an. In ihr wird sichtbar, was als ‚Gott‘ funktioniert bzw. funktionieren soll, um das Reich zusammen zu halten.

Die vergoldete Herrschaft des Nebukadnezar steht im Widerspruch zum Glauben an Gott als Befreier Israels und den mit ihm verbundenen Vorstellungen eines solidarischen und freien Zusammenlebens. Deshalb weigern sich die drei Männer, vor dem goldenen Standbild auf die Knie zu gehen. Sie beten keine Götzen an. Damit verweigern sie dem König und den mit ihm verbundenen Herrschaftsverhältnissen die Loyalität (Vers 12).

Daher ist es nur konsequent, dass sie vor dem König denunziert werden. Dieser testet noch einmal ihre Loyalität. Wenn sie vor dem Standbild niederfallen, ist es gut, wenn nicht, sollen sie in den Feuerofen geworfen werden (Verse 13-15). Im Bewusstsein der eigenen Machtvollkommenheit verbindet der König die Drohung mit dem Feuerofen mit der zynischen Frage: „Welcher Gott kann euch dann aus meiner Gewalt erretten?“ (V. 15). Die souveräne Antwort der jungen Männer ist: „Wir haben es nicht nötig, dir darauf zu antworten. Wenn überhaupt jemand, so kann nur unser Gott, den wir verehren, uns erretten; auch aus dem glühenden Feuerofen und aus deiner Hand, König, kann er uns erretten“ (VV. 16-17).

Die Wurzel dieser souveränen Haltung ist die Gottestradition Israels. Israels Gott steht in einem unvereinbaren Gegensatz zu den Göttern des Königs. Zwischen einem Gott, der befreit, und Götzen des Reichtums und der Macht, die versklaven, kann es keinen Kompromiss geben. Hier stellt sich die Frage nach der Alternative Gott oder Mammon. Gott befreit, d.h.: Keiner darf über das Volk herrschen, kein Gold und kein König. Beidesso hatte die schmerzvolle Geschichte Israels ja gezeigt – hängt zusammen und schafft soziale Spaltung und Unterdrückung. Nur wenn Gott allein ‚herrscht’ – und keiner mit oder neben ihm, sind Befreiung und ein Leben in Gerechtigkeit und Solidarität möglich. Dies beinhaltet konkret eine gerechte Verteilung von Land als Grundlage, das eigene Leben zu sichern, dies beinhaltet das Ende der Herrschaft von Menschen über Menschen. Herrschaft soll durch Gleichheit und Solidarität, durch Befreiung aus Abhängigkeit überwunden werden. Dafür steht Israels Gott. Und deshalb kann neben ihm kein anderer Gott geduldet werden.

Die drei Männer haben den Loyalitätstest nicht bestanden. Der König aber ist verunsichert und lässt den Ofen siebenmal stärker beheizen als üblich (VV. 19-23). Die Loyalität der Männer gegenüber dem Befreiergott und die Verweigerung der Loyalität gegenüber dem Herrscher und seinem Reich verunsichern den König. Er scheint zu ahnen, dass die völlige Absicherung von Reichtum und Macht solange nicht gelingen kann, wie es Menschen gibt, die sich dem alleinigen Anspruch der Herrschaft von Israels Befreiergott verpflichtet wissen. Dessen befreiende Macht bestreitet andere Herrschaftsansprüche und steht deshalb für die Befreiung von Menschen aus der Unterwerfung und Abhängigkeit versklavender Götzen.

In unserer Geschichte werden die drei Männer aus dem Feuerofen gerettet. Der König sieht, dass die „gefesselt ins Feuer“ (V. 91) geworfenen Männer „frei im Feuer umhergehen“ und „unversehrt“ bleiben (V. 92). Und er sieht nicht nur drei, sondern vier Männer. „Der vierte sieht aus wie ein Gottessohn“ (ebd.). Die drei Männer, die Israel in Abhängigkeit und Unterdrückung repräsentieren, sind offensichtlich nicht allein. Die Formulierung erinnert daran, dass nach Gen 1,26 und 5,1 Menschen als „Gott ähnlich“ geschaffen wurden. Auch in der äußersten Bedrängnis, auch angesichts eines goldenen Monstrums, soll Gottes Verheißung gelten. Wen er geschaffen hat als sein Bild, dem hält er die Treue.

Und wenn kein Gott rettet?

Die Menschen damals kannten aber auch die andere Erfahrung, dass Menschen, die Gott die Treue hielten, nicht gerettet, sondern brutal vernichtet wurden. Dies wird sichtbar in dem Satz, den die drei Männer ihrem Ausdruck des Vertrauens auf die rettende Macht des Befreiergottes hinzufügen: Rettet er uns aber nicht, „so sollst du, König, wissen: Auch dann verehren wir deine Götter nicht und beten das goldene Standbild nicht an, das du errichtet hast“ (V. 18). Das Risiko des Widerstands ist nicht kalkulierbar. Für die Treue zu Gott gibt es keine Sicherheitsgarantie. Im Widerstand gegen die Unterwerfung unter die griechische Herrschaft wollen die jungen Männer nicht nur Gott, sondern auch sich selbst und der Sache der Befreiung treu bleiben, auch wenn sie dies das Leben kostet. Mit ihrer Unterwerfung unter die Fremdherrschaft hätten sie ihren Gott, aber auch die Sache der Befreiung und so auch sich selbst verraten. Sie hätten ihr Leben gerettet und es dennoch verloren.

In vielen Katastrophen und in vielen Fällen brutaler Gewalt in der Geschichte griff und greift kein rettender Engel Gottes ein. Und dennoch konnte der Schrei nach einem Gott, der dem Terror ein Ende macht und Gerechtigkeit schafft, nicht zum Verstummen gebracht werden. Im Buch Daniel wird die Erfahrung, dass diejenigen hingerichtet werden, die Gott die Treue halten, bis in den Tod, zum Zeugnis der Auferstehungshoffnung in der jüdischen Tradition (Dan 12,1-3). Diejenigen, die diese Hoffnung formulieren, können nicht glauben, dass Gott denen nicht die Treue hält, die durch ihren Widerstand gegen fremde Herren ihm treu sind bis in den Tod. Gerade der Widerstandskampf gegen Fremdherrschaft wird zum Nährboden der Hoffnung auf Auferweckung. Daran kann sich auch der Glaube an die Auferweckung Jesu entzünden und die Sehnsucht gestärkt werden, dass die Henker nicht über die Opfer triumphieren mögen. Wer auf Gerechtigkeit hofft, weigert sich, zu akzeptieren, dass die über Leichen gehenden Götzen von Reichtum und Macht, also von Herrschaftsverhältnissen, das letzte Wort in der Geschichte haben.

Herbert Böttcher