Eine kleine (formale) Vorrede
Das für den Zweiten Adventssonntag im Lesejahr B vorgesehene Evangelium ist Mk 1,1-8, also der Beginn des Evangeliums nach Markus mit dem Auftreten des Täufers Johannes. Am dritten Adventssonntag geht es mit der Botschaft des Täufers weiter1, wie sie der Evangelist Johannes in seinem Evangelium erzählt. Um den Text des Johannes in seinem Zusammenhang interpretieren zu können, liegt der folgenden Auslegung nicht das anstehende Sonntagsevangelium, sondern der Text aus dem Evangelium nach Johannes zugrunde, in dessen Zusammenhang auch das Evangelium des kommenden Sonntags verstanden werden sollte.
Joh 1,1-8:
1 Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. 2 Dieses war im Anfang bei Gott. 3 Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist. 4 In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen. 5 Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst. 6 Ein Mensch trat auf, von Gott gesandt; sein Name war Johannes. 7 Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. 8 Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht.
Wort, Leben und Licht – anschlussfähig an gnostisch-esoterische Interpretationen?
Die entscheidenden Stichworte dieses Textausschnitts, der auf das Auftreten des Täufers zuläuft, sind: das Wort, das Leben und das Licht. Manche interpretieren das Johannesevangelium so, als gehe es ihm um überzeitliche, also ontologische Wahrheiten, die unabhängig vom Verlauf der Geschichte zu allen Zeiten gelten. Sie interpretieren das Evangelium vom griechischen Denken her: Dann entspringt die Welt aus dem Ursprung des ewigen göttlichen Seins. Durch sein Wort erschafft es alles Seiende (die Schöpfung) und wird in Jesus Mensch („Fleisch“, Joh 1,14). Einige wittern bei Johannes Anklänge an gnostische Dualismen wie das Ringen zwischen Geist und Materie, Kosmischem und Irdischem oder moralisierend die ewigen Kämpfe zwischen Licht und Finsternis, Gutem und Bösem. Darin scheint das Evangelium anschlussfähig für gnostisch-esoterische Interpretationen. Reste der Auseinandersetzungen, die in der Begegnung zwischen christlichem und griechischem Denken auf hohem philosophischen Niveau stattfanden, fließen heute in esoterische Banalitäten ein, die sich im zerfallenden Kapitalismus und seiner zerfallenden Subjektform als Entlastungsangebote ausbreiten und sich in Corona-Zeiten mit Verschwörungsphantasien aufladen, die in falscher Unmittelbarkeit und theoriefeindlich Mächte der Finsternis konkretisieren.
Ein Beispiel ist Thorsten Schulte, ein Geschichtsrevisionist und Bestsellerautor übelster Art, der selbstverständlich schon Gast bei dem rechten ‚Aussteigerjournalisten‘ Ken Jebsen war. Vor dem Bundeskanzleramt sagte er auf einer Demonstration gegen die Einschränkungen wegen Corona: „Wir können uns von diesem satanischen (!) Regierungssystem, das dort in diesem Bundeskanzleramt herrscht, nur absetzen, und ich bete zu Gott und Jesus Christus, und das ist keine PR-Maßnahme, ich habe hier einen Rosenkranz. […] Jesus Christus ist auf unserer Seite. Und ich sage es deutlich. Ihr seid heute alle Zeuge des Beginns, das meine ich sehr sehr ernst, der Apokalypse (!) […]. Und deshalb halte ich euch dieses Kreuz hier hin, ihr satanischen Wesen (!) da drin. Wir werden mit der Liebe und dem Weg Gottes dazu beitragen, dass wir zur Selbstbestimmung kommen […]. Und wir werden mit dem Weg der Liebe dieses System zu Fall bringen.“2
Dass er nicht einfach für sich selbst oder eine Gruppe von Wirrköpfen spricht, wird darin deutlich, dass sein Buch „Fremdbestimmt“ zum Bestseller werden konnte. Die „Empfänglichkeit für Verschwörungstheorien“ steigt „offensichtlich immer dann an, wenn die Auffassung überhand nimmt, dass keinerlei Chancen mehr für eine eigenständige, selbstbestimmte Lebensgestaltung bestehen und stattdessen rundum nur noch anonyme Mächte im Geheimen schalten und walten. In solchen ausweglos erscheinenden Drucksituationen, die beispielsweise durch sozialen Abstieg und eine drastische Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation hervorgerufen sein können, eröffnen Verschwörungstheorien einen trügerischen Königsweg zur Deutung kompliziertester Zusammenhänge und vermitteln das sichere Gefühl endlich Bescheid zu wissen, was rund um einen herum und mit einem selbst geschieht […]“.3
Wo Verschwörungswahn sich ausdrückt, ist der Antisemitismus nicht weit, wie es in der Corona-Krise wieder überaus deutlich wird: „So stimmt beispielsweise rund jede fünfte Person in England mehr oder weniger der Ansicht zu, Juden hätten das Virus geschaffen, um die Wirtschaft kollabieren zu lassen und ein Geschäft aus der Situation zu machen.“ Auch konnte man antisemitische Selbstviktimisierungen auf den Anti-Corona-Demonstrationen in Deutschland beobachten, sogenannter ‚Impfgegner‘, die sich offenbar als die ‚Juden von heute‘ halluzinierten, die T-Shirts mit Judenstern (!) trugen, auf denen „ungeimpft“ (!!) geschrieben stand.4
Es geht um Geschichte…
Weder um Ontologie noch um Esoterik, sondern um Geschichte geht es im Evangelium des Johannes. Das „Wort“ meint nicht griechisches Sein, sondern ist von dem her zu verstehen, was ‚Wort‘ im hebräischen Denken meint, wie es auch im Schöpfungshymnus Gen 1,1-2,3 deutlich wird. Auf ihn greift Johannes zurück, wenn er sein Evangelium mit der Formulierung beginnt: „Im Anfang war das Wort…“ (Joh 1,1). Dem entspricht in der Genesis: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde…“ (Gen 1,1). Er schuf sie durch sein Wort wie der Text immer wieder deutlich macht: Gott spricht, und es geschieht, was er sagt. Gottes Wort geschieht – und zwar in der Geschichte. Sein Wort ist ein schöpferisches Wort. Es erschafft die Zeit und damit Geschichte und lässt darin Neues geschehen.
Dass es bei Gottes Wort um Geschichte geht – und nicht um die Selbstoffenbarung eines ‚ewigen Seins‘ oder eines ewigen guten Prinzips, das gegen irdische und kosmische Mächte der Finsternis kämpft – wird darin deutlich, dass der Schöpfungshymnus in einer bestimmten Situation der Geschichte entstanden ist, dem babylonischen Exil. Nach der Zerstörung Jerusalems und des Tempels durch die Babylonier war ein Teil des Volkes nach Babylon verschleppt worden. Die Propheten interpretierten das Exil als Folge der Geschichte, genauer als Folge davon, dass Israel sich ein Königtum mit all den Konsequenzen sozialer Spaltung, dem Aufbau eines Herrschaftsapparates mit Beamten und Militär geschaffen und Eroberungskriege geführt hatte. Dies hat – so die Propheten – den Weg in die Katastrophe gebahnt und Israels Befreiung aus Ägypten verraten. Dennoch war das nicht das Ende des Volkes, das Gott in der Befreiung aus Ägypten ‚erschaffen‘ hatte. Nachdem im Volk der Bruch mit der Geschichte der Befreiung erkannt war, spricht Gott sein schöpferisches Wort neu und befreit sein Volk aus der babylonischen Gefangenschaft. Beim Zweiten Jesaja, der sich auf das Exil bezieht, heißt es von Gottes Wort: „Es kehrt nicht leer zu mir zurück, ohne zu bewirken, was ich will, und das zu erreichen, wozu ich es aussende“ (Jes 55,10). Gesendet wird es in die Geschichte. Erreichen will es einen neuen Anfang aus Unrecht und Gewalt. Das ist die Schöpfung, die Gottes Wort bewirkt. In diesem Zusammenhang soll alles geschehen – im Himmel und auf der Erde: Schöpfung, mit der die Zeit und damit die Geschichte beginnt, Neuschöpfung als Befreiung aus Unrecht und Gewalt bis hin zu einem neuem Himmel und einer neuen Erde am Ende der Zeit.
Entsprechend seiner Bibel stellt Johannes sein Evangelium in den Zusammenhang von Gottes schöpferischem Wort, das die Geschichte Israels prägt. Eingebettet in diese Geschichte spricht Gott zur Zeit der Herrschaft des römischen Imperiums in Jesus, dem Messias aus Israel, sein schöpferisches Wort neu. Erreichen will es die Befreiung aus der Herrschaft des Imperiums. Wie das gehen soll, erzählt Johannes in der Geschichte des Messias, in dem „das Wort Fleisch geworden ist“ (Joh 1,14). Sie läuft auf seinen gewaltsamen Tod und seine Auferweckung hinaus. In ihr spricht Gott sein schöpferisches Wort neu und macht darin deutlich, dass die Herrschaft Roms nicht das ‚letzte Wort‘ hat. Dies gilt dem Messias, der solidarisch mit den Opfern des Imperiums gegen dessen Herrschaft aufgestanden ist. Es wird zur Hoffnung für alle, die ihm auf diesem Weg folgen.
Bei Johannes geht es also nicht um den Ursprung des Lebens im Kosmos bzw. seine Verbindung mit kosmischen Mächten und Energien, sondern um Befreiung von geschichtlich zu begreifender Herrschaft des Unrechts und der Gewalt. Schöpfung ist nicht kosmologisch, sondern geschichtlich zu verstehen, nicht als esoterisch-mythische Beruhigung, sondern als Kritik geschichtlicher Verhältnisse, als Ermutigung, die gefährlichen Wege derer zu gehen, die Herrschaft überwinden wollen.
„In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen…“ (Joh 1,4)
Johannes geht es auch nicht um eine innere Erleuchtung, sondern um das geschichtliche Licht der Befreiung. Die Befreiung, von der in der Geschichte Israels erzählt wird und die Johannes in der Geschichte des Messias verdichtet sieht, beinhaltet Leben. Befreiung von Herrschaft ist das Licht, das hinein leuchtet in die Finsternis von Unrecht und Gewalt. Diese darf nicht das ‚letzte Wort‘ behalten. Das ‚letzte Wort‘ ist das Licht messianischen Lebens.
Um dies deutlich zu machen, greift Johannes wieder auf den Schöpfungshymnus zurück. „Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht“ (Gen 1,2). Die Erzählung davon, dass Gott als Herr der Zeit und der Geschichte auch das Licht erschafft, richtet sich gegen die babylonische Mythisierung des Kosmos. Demnach sind Sonne, Mond und Sterne kosmische Gottheiten, von denen die Erde erleuchtet wird. Im biblischen Schöpfungshymnus werden sie ‚entmythologisiert‘ und als Geschöpfe des Gottes der Befreiung, als funktionale Leuchten, an den Himmel gehangen. Damit ist zugleich die Macht Babylons ‚entmythologisiert‘. Im Umgang mit diesen ‚Leuchten‘ und in der Deutung des Lichts als Licht der Befreiung wird Babylon entmachtet und ein neuer Weg der Befreiung gebahnt. Und am Ende der Geschichte, wenn Gott einen neuen Himmel und eine neue Erde, ein neues Jerusalem erschaffen wird, ist das kosmische Licht überflüssig. Die neue Stadt Jerusalem „braucht weder Sonne noch Mond, die ihr leuchten. Denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie und ihre Leuchte ist das Lamm“ (Offb 21,23). Die ‚Erleuchtung‘ kommt nicht von kosmischen Mächte, sondern von den Opfern geschichtlicher Herrschaft, dem als Lamm geschlachteten Messias und allen Opfern in der Geschichte.
Johannes interpretiert die Metapher des Lichts im Zusammenhang des Weges des Messias unter der Finsternis des römischen Imperiums. Ihm geht es um das messianische Licht der Befreiung, das hineinleuchtet in die Strukturen der Herrschaft und diese in ihrem zerstörerischen Charakter aufdecken und überwinden will. Der Messias Jesus ist der ‚Luzifer‘, wörtlich: der Träger des Lichts. Der Begriff galt für Jesus, bis sich die Verhältnisse änderten. Mit der konstantinischen Liaison des Christentums mit geschichtlicher Herrschaft erstrahlte das Licht über den Kronen der Mächtigen. Sie wurden zu ‚Lichtgestalten‘. Zum satanischen ‚Luzifer‘ wurden jetzt diejenigen, die sich der Herrschaft widersetzten.
Hier wird deutlich, dass auch eine geschichtliche Interpretation des Lichts nicht schon einfach aus und für sich selbst spricht. Was geschichtlich als Licht und was als Finsternis gedeutet wird, ist abhängig von der Sicht auf die Geschichte und die gesellschaftlichen Verhältnisse. Wenn Religion nicht in die Fallen eines Thorsten Schulte geraten will, reicht es nicht, sich in falscher Unmittelbarkeit rein assoziativ mit der Geschichte und der Gesellschaft auseinander zu setzen. Die Anstrengungen gesellschaftskritischer Analyse bleiben unverzichtbar, wenn die Metaphern von Licht und Finsternis nicht so pervertiert werden sollen, dass Finsternis zum Licht und Licht zur Finsternis wird.
Robert Kurz hat die Metapher des Lichts im Blick auf die Aufklärung aufgegriffen und gesellschaftskritisch reflektiert: „Die Geschichte der Modernisierung schwelgt in Metaphern des Lichts. Die strahlende Sonne der Vernunft soll die Finsternis des Aberglaubens durchdringen und die Unordnung der Welt sichtbar machen, um die Gesellschaft nach rationalen Kriterien zu gestalten“5. Eine gesellschaftskritische Analyse bringt etwas anderes ans Tageslicht. In der Aufklärung steckt kein universales Licht der Vernunft – wie ihre Anhänger behaupten. Bei ‚Licht betrachtet‘ erweist sie sich als ideologische Begleitmusik des Kapitalismus und seiner Unterwerfung der Welt unter das irrationale und selbstbezügliche Prinzip der Vermehrung von Kapital/Geld um seiner selbst willen.
Dann aber zeigt sich die Licht-Symbolik der Moderne
„als paradoxe Unvernunft der kapitalistischen Vernunft selbst. Denn merkwürdig: die aufklärerischen Metaphern des Lichts riechen geradezu nach angebranntem Mystizismus. Die Vorstellung einer überirdisch glänzenden Lichtquelle, wie sie die Idee der modernen Vernunft nahelegt, erinnert an die Beschreibungen der vom Glanz Gottes erhellten Reiche der Engel, und auch aus den religiösen Systemen des fernen Ostens kennen wir den Begriff der ‚Erleuchtung‘. Obwohl das Licht der Aufklärung ein irdisches ist, hat es trotzdem einen seltsam transzendentalen Charakter angenommen. Der himmlische Glanz eines schlechthin unbegreiflichen Gottes hat sich nämlich bloß säkularisiert zur monströsen Banalität des kapitalistischen Selbstzwecks, dessen Kabbalistik in der sinnlosen Anhäufung des ökonomischen Werts besteht. Das ist nicht Vernunft, sondern höherer Irrsinn; und was da leuchtet ist der Abglanz der Absurdität, der weh tut und die Augen blendet.“6
Welche Lichter im Advent angezündet werden und was da an Weihnachten erstrahlt, bedarf also gesellschaftskritischer und theologischer Erhellung, auch um postmodernem Wirrsinn zu entgehen: In diesem „geht ja alles“ wie ein Seitenblick auf die corona-geleitete Diskussion um Kultur zeigt: Kultur ist Event und Event ist Kultur und, wenn es nützlich erscheint, kann Kultur auch wieder zur ‚reinen‘ Kultur ohne Event-Geschmack werden. Bei soviel Dunkelheit im Chaos ist dringend ein Lichtschalter geboten.
„Ein Mensch trat auf, von Gott gesandt, sein Name war Johannes…“ (Joh 1,6-8)
Wörtlich übersetzt heißt es: „Es geschah ein Mensch…“ Gottes Wort geschieht also wieder, jetzt in der Zeit unter römischer Herrschaft. Dieser Mensch, Johannes, ist nicht das Wort und auch noch nicht das Licht, sondern sein Zeuge. Er steht für die Geschichte des Wortes wie sie im Ersten Testament erzählt wird. Was der Evangelist Johannes unter der Perspektive „Und das Wort ist Fleisch geworden…“ (Joh 1,14) erzählen wird, ist nicht als unmittelbares Ereignis vom Himmel gefallen, sondern hat seine Wurzeln in Israels Geschichte. Sie – so die messianische Interpretation dieser Geschichte – setzt mit dem Messias Jesus neu ein. Hinter diesem Neuansatz droht Johannes fast zu verschwinden. Er wird auf die Rolle des Zeugen für das Licht verwiesen, das der Messias ist. Der Evangelist betont: Johannes der Täufer „war nicht selbst das Licht…“ (V. 8).
Das dürfte darauf schließen lassen, dass die Bewegung des Täufers und die messianische Bewegung gar nicht so leicht zu unterscheiden waren und daher durchaus in Konkurrenz zueinander standen. Diese historische Konstellation darf jedoch nicht zu einer Aussage werden, die nach dem Schema von Verheißung und Erfüllung der jüdischen Tradition ihr Eigengewicht nimmt und sie als eine Art Vorgeschichte dem Christentum ein- bzw. unterordnet. Demnach wäre dann die jüdische Tradition nur insofern ‚Licht‘, als sie das wahre Licht, den Messias, anstrahlt. Gegen ein solches Verständnis spricht auch die Art und Weise, in der Johannes im Lauf des Evangeliums an die jüdische Tradition anknüpft. Sie ist die unaufgebbare Wurzel, von der her er den Messias Jesus versteht. In seiner messianischen Interpretation will er deutlich machen, dass alles das, was in dieser Tradition geschieht und zur Geltung kommt, im Messias Jesus gleichsam als einer ‚konkreten Totalität‘ Israels Wirklichkeit geworden ist, d.h. in der konkreten Geschichte und Person des Messias leuchtet das Ganze der Geschichte Israels und der mit ihr verbundenen Hoffnung auf Befreiung und Rettung für alle auf. Diese Sicht unterscheidet sich von der jüdischen Interpretation der hebräischen Bibel. Damit ist aber keine Abwertung verbunden, jedenfalls solange nicht, wie klar bleibt, dass es neben dem messianischen, sich für die Völker öffnenden Weg der Befreiung und der Rettung weiter den eigenständigen jüdischen Weg gibt, dem Wort in der eigenen Interpretation zu folgen. Diesem verdankt sich die messianische Interpretation und von diesem Wort darf und kann sie sich nicht trennen, ohne ihre Inhalte und die Hoffnung auf Befreiung zu verraten.
Herbert Böttcher
1Im Lesejahr B steht das Evangelium nach Markus im Mittelpunkt. In den Gang der Erzählung des Markus werden Texte aus dem Evangelium nach Johannes eingefügt. Johannes ist kein eigenes Lesejahr gewidmet. Texte aus seinem Evangelium werden außer im Gang des Evangeliums nach Markus in den sog. ‚geprägten Zeiten‘ des Kirchenjahres (Advents-/Weihnachtszeit sowie Österliche Bußzeit/Osterzeit) verstärkt aufgegriffen.
2Zitiert nach dem Editorial der neuen exit! Krise und Kritik der Warengesellschaft, die zu Beginn des kommenden Jahres als Nr. 18 erscheinen wird. Daraus auch auch die Zitate unter Anm. 2 und 3 ebenso wie die genaue Angabe der Quellen.
3Rudolf Jaworski, Verschwörungstheorien aus psychologischer und aus historischer Sicht, in: Caumanns, Ute; Niendorf, Mathias: Verschwörungstheorien – Anthropologische Konstanten – historische Varianten, Einzelveröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts Warschau, Osnabrück 2001, 19 und 22. (Jaworski 2001, 22. Zum Fundort s. Anm. 1.)
4Vgl. Thorsten Fuchshuber: Antisemitismus in der Pandemie: Alter Wahn, neues Gewand, jungle.world vom 23.7.2020. Zu den Corona-Demos in Deutschland vgl. auch: https://report-antisemitism.de/documents/2020-09-08_Rias-bund_Antisemitismus_im_Kontext_von_covid-19.pdf.
5Robert Kurz, Das Licht der Aufklärung. Die Symbolik der Moderne und die Vertreibung der Nacht, in: ders., Weltkrise und Ignoranz. Kapitalismus im Niedergang, Berlin 2013, 125-132, 125.
6Ebd., 126.