29 Brüder, ich darf freimütig zu euch über den Patriarchen David reden: Er starb und wurde begraben und sein Grabmal ist bei uns erhalten bis auf den heutigen Tag. 30 Da er ein Prophet war und wusste, dass Gott ihm einen Eid geschworen hatte, einer von seinen Nachkommen werde auf seinem Thron sitzen, 31 sagte er vorausschauend über die Auferstehung des Christus: Er gab ihn nicht der Unterwelt preis und sein Leib schaute die Verwesung nicht.32 Diesen Jesus hat Gott auferweckt, dafür sind wir alle Zeugen. 33 Zur Rechten Gottes erhöht, hat er vom Vater den verheißenen Heiligen Geist empfangen und ihn ausgegossen, wie ihr seht und hört. 34 Denn nicht David ist zum Himmel aufgestiegen; vielmehr sagt er selbst: Es sprach der Herr zu meinem Herrn: Setze dich mir zur Rechten 35 und ich lege dir deine Feinde als Schemel unter die Füße. 36 Mit Gewissheit erkenne also das ganze Haus Israel: Gott hat ihn zum Herrn und Christus gemacht, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt.
Der Text ist ein Teil der Predigt, die Petrus hielt, nachdem der Heilige Geist über die am Pfingstfest Versammelten gekommen war (2,14-36). In ihrem ersten Teil (14-21) hatte er das Geschehen als Erfüllung dessen gedeutet, was der Prophet Joel (3,1-5) verheißen hatte. Der zweite Teil (22-28) knüpft an die „Wunder und Zeichen“ an, die mit der Befreiung aus Ägypten und dem Weg in das verheißene Land verbunden waren. Sie werden auf den Tod und die Auferweckung Jesu hin gedeutet. Er ist „Wunder und Zeichen“ dafür, dass die Geschichte der Befreiung mit der Katastrophe der Zerstörung des Tempels und der Vertreibung der Juden aus Jerusalem nicht erledigt, sondern neu entfacht ist.
Im Mittelpunkt des dritten Teils (29-36) der Predigt des Petrus steht die Auslegung des Psalms 16. Er wird als „ein Lied Davids“ (Ps 16,1) verstanden. David hatte Petrus bereits in 2,25 als Zeuge der Auferstehung eingeführt. Nun spricht Petrus vom „Patriarchen David“ (2,29). Damit reiht er ihn in die Reihe von Israels Stammvätern ein. Grund dafür ist die an ihn gerichtete Verheißung eines Königtums, das Bestand haben wird (2 Sam 7,12ff). Sie ist die Grundlage für die Erwartung eines rettenden Eingreifens Gottes, das Israel ein Leben in Recht und Gerechtigkeit ermöglichen wird. Erwartet wird einer, der wie David Israel aufrichtet und festigt.
Im Zweiten Testament wird die Verheißung auf Jesus hin gedeutet. Petrus interpretiert sie auf Jesu Tod und Auferweckung hin. Er betont, dass auch David gestorben ist und begraben wurde. Damit aber sind die Hoffnungen, die sich an die Verheißung, die an ihn ergangen ist, noch nicht am Ende – auch nicht zu der Zeit, da Israel in Trümmern liegt. Petrus erinnert an den Eid, den Gott ihm nach Psalm 110,4 geschworen hatte. Sein Inhalt kommt in der Anrede zum Ausdruck, mit der Psalm 110 beginnt: „Setze dich zu meiner Rechten und ich lege deine Feinde als Schemel unter deine Füße. Der Psalm besingt die Inthronisation des Königs, dessen Platz an der Rechten Gottes ist. Weil der Eid und die Verheißung David zugesprochen ist, wusste – so Petrus – David, „da er ein Prophet war …, einer von seinen Nachfolgern werde auf seinem Thron sitzen“ (Apg 2,30). Damit blickt David auf den Messias voraus.
Petrus stellt nun den mit David verbundenen Messiasgedanken in den Zusammenhang mit dem David zugeschriebenen Psalm 16, in dem David betet: „Du überlässt mein Leben nicht der Totenwelt, du lässt deinen Frommen die Grube nicht schauen“ (V10.11). Da aber – wie Petrus betont – David gestorben ist, spricht er hier nicht von sich selbst, sondern als Prophet vorausschauend über den Messias Jesus. Ihn „hat Gott auferweckt“ und zu seiner Rechten „erhöht“ (V. 33). Ihm gilt die Verheißung von Psalm 110,1: „Setze dich mir zur Rechten und ich lege dir deine Feinde unter die Füße.“
Damit belebt Petrus den Messiasgedanken neu. David der erste „Gesalbte Israels“ ist gestorben, aber er hat auf jenen Messias hingewiesen, den Gott von den Toten auferwecken wird, dessen Leben Gott „nicht der Totenwelt“ überlassen und den er „die Grube“ nicht hat schauen lassen (Ps 16,10). Deshalb gilt: „Gott hat ihn zum Herrn und Messias gemacht, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt“ (Apg 2,36). Er ist auch der ‚Herr‘ Davids, von dem der Psalm 110 gesprochen hatte. Indem er aus dem Tod aufgerichtet wird, wird Israel aufgerichtet. Gott macht darin deutlich: Er steht zu Israel und zu seinen Verheißungen. Der Messias ist nicht am Ende. Israel wird inmitten der Katastrophe ein neuer Weg der Befreiung geschenkt.