Der sog. Dreifaltigkeitssonntag wird als erster Sonntag nach der österlichen Zeit gefeiert. Er fasst noch einmal das Heilsgeschehen im Blick auf Gott, der in der Geschichte des Heils als einer Geschichte der Befreiung ‚geschieht‘ bzw. sich – wie Karl Rahner formuliert hat – sich in ihr selbst mitteilt. Damit geht es an diesem Sonntag nicht einfach um eine idealistische Spekulation darüber, wie Gott in sich selbst als Vater, Sohn und Geist ist. Wer erahnen will, wer Gott (‚selbst‘) ist, bleibt auf die Geschichte verwiesen, in der er sich selbst als Gott der Befreiung mitgeteilt hat und mitteilt. Das machen die biblischen Texte zum Dreifaltigkeitssonntag deutlich.
Erste Lesung: Ex 34,4b.5-6.8-9
Hinführung:
Gott teilt sich dem Mose mit als „barmherziger und gnädiger Gott, langmütig und reich an Huld und Treue“ (Ex 34,6). Leider ist der Zusammenhang, in dem die Szene erzählt wird, in den Text, der für die Lesung vorgesehen ist, nicht aufgenommen. Während Mose zum ersten Mal auf dem Berg war und von Gott die Tafeln der sog. Zehn Gebote bekommen hatte, kam es zum Bau und Verehrung des Goldenen Kalbes (Ex 32). Als Mose das bei seiner Rückkehr sah, „schleuderte er die Tafeln fort und zerschmetterte sie am Fuß des Berges“ (Ex 32,19, vgl. auch Ex 34,1-4a). Die Langmut von Gottes „Huld und Treue“ zeigt sich darin, dass Gott beim zweiten Aufstieg des Mose auf den Berg, von dem der Zusammenhang von Ex 34 erzählt, von Gott neue Weisungen für den Weg der Befreiung erhält, die er auf „zwei Tafeln aus Stein“ (Ex 34,4), die er auf den Berg mitgenommen hatte, aufschreiben soll. Gottes Selbstmitteilung als „langmütig und reich an Huld und Treue“ ist also keine abstrakte Selbst‘definition‘, sondern eingebettet in die Geschichte. Sie zeigt sich darin, dass Gott den gebrochenen Bund und seine Weisungen erneuert und verspricht, sein Volk auf den Wegen der Befreiung auch dann zu begleiten, wenn es untreu wird.
Text:
4 Früh am Morgen stand er auf und ging auf den Sinai hinauf, wie es ihm der HERR aufgetragen hatte. Die beiden steinernen Tafeln nahm er mit. 5 Der HERR aber stieg in der Wolke herab und stellte sich dort neben ihn hin. Er rief den Namen des HERRN aus. 6 Der HERR ging vor seinem Angesicht vorüber und rief: Der HERR ist der HERR, ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig und reich an Huld und Treue. 8 Sofort verneigte sich Mose bis zur Erde und warf sich zu Boden. 9 Er sagte: Wenn ich Gnade in deinen Augen gefunden habe, mein Herr, dann ziehe doch, mein Herr, in unserer Mitte! Weil es ein hartnäckiges Volk ist, musst du uns unsere Schuld und Sünde vergeben und uns dein Eigentum sein lassen!
Zwischengesang: Dan 3,52-56
52 Gepriesen bist du, HERR, du Gott unserer Väter, gelobt und gerühmt in Ewigkeit. Gepriesen ist dein heiliger, herrlicher Name, hochgelobt und verherrlicht in Ewigkeit. 53 Gepriesen bist du im Tempel deiner heiligen Herrlichkeit, hoch gerühmt und verherrlicht in Ewigkeit. 54 Gepriesen bist du, der in die Tiefen schaut und auf Kerubim thront, gelobt und gerühmt in Ewigkeit. 55 Gepriesen bist du auf dem Thron deiner Herrschaft, hoch gerühmt und gefeiert in Ewigkeit. 56 Gepriesen bist du am Gewölbe des Himmels, gerühmt und verherrlicht in Ewigkeit.
Zweite Lesung: 2 Kor 13,11-13
Der Text der Zweiten Lesung bildet den Abschluss des Zweiten Briefs an die Korinther. In diesem Brief hatte Paulus die Korinther ‚zur Ordnung‘ gerufen. Kriterium ist die Treue zu dem gekreuzigten Messias. In ihm hat Gott gezeigt, was Liebe und Friede beinhalten: Solidarität mit den Schwachen als Grundlage eines anderen Friedens als den, die die ‚Pax Romana‘ als Unterwerfungsfriede zu bieten hat. In dem so verstandenen Zusammenhang von „Liebe und Friede“ bleibt die Gemeinde verbunden mit dem Messias, der als Befreier auf sie zugekommen ist (Das meint Paulus mit der „Gnade Jesu Christi“), mit Gottes Solidarität und dem Heilgen Geist, der die Gemeinde aufrichtet, dem Messias Jesus und seinen Wegen der Befreiung treu zu bleiben.
Text:
11 Im Übrigen, Brüder und Schwestern, freut euch, kehrt zur Ordnung zurück, lasst euch ermahnen, seid eines Sinnes, haltet Frieden! Dann wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein. 12 Grüßt einander mit dem heiligen Kuss! Es grüßen euch alle Heiligen. 13 Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
Evangelium: Joh 3,16-18
16 Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. 17 Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. 18 Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des einzigen Sohnes Gottes geglaubt hat.
Der Text des Evangeliums ist Teil eines Gesprächs, das Jesus mit Nikodemus, „einem führenden Mann unter den Juden“ (Joh 3,1) führt. Nikodemus hatte Jesus „bei Nacht“ (Joh 3,2), also heimlich, aufgesucht, um mit Jesus über das Reich Gottes zu sprechen. Jesus macht deutlich, dass, wer das Reich Gottes sehen will, „von oben geboren“ (Joh 3,3) werden muss. Gottes Königtum ist nämlich „nicht von dieser Welt“ (Joh 18,36), also nach der Art des römischen Imperiums, wie Jesus vor Pilatus deutlich macht (Joh 18,28ff). ‚Von oben‘ kommt der Menschensohn. Er ist „vom Himmel herabgestiegen“ (Joh 3,13). Mit dem Menschensohn ist ein apokalyptisches Bild aus dem Buch Daniel aufgegriffen (Dan 7). Ihm ist von Gott Herrschaft und Vollmacht gegen die Mächte der Unterdrückung und des Todes in der Geschichte gegeben worden. „Seine Herrschaft ist eine ewige, unvergängliche Herrschaft. Sein Reich geht niemals unter“ (Dan 7,14b). In Jesus ist dieser als Befreier erhoffte Menschensohn verkörpert, ‚Fleisch‘ geworden, allerdings nicht triumphal, sondern als gekreuzigter Menschensohn. In diesem Menschensohn, der selbst Opfer der Herrschaft Roms wird, zeigt sich Gottes Liebe oder besser seine Solidarität und Treue zu der Welt, die unter der römischen Herrschaft zu leiden hat. Er ist nicht gekommen, um die Opfer zu richten, sondern um sie zu retten. Wer ihm vertraut, gehört schon zur geretteten Welt des Menschensohns. Wer aber auf Rom vertraut statt „auf den Namen des einzigen Sohnes Gottes“, der Gottes rettende und befreiende Macht verkörpert, die sein Name verspricht, ist schon gerichtet wie Rom. Es ist dadurch gerichtet, ins Unrecht gesetzt, dass Gott den von Rom hingerichteten Menschensohn als Retter aufgerichtet hat. In ihm zeigt sich Gottes Liebe, seine Solidarität mit der Welt derer, die unter der Welt Roms zu leiden haben und deren Opfer werden. Wie Gott seinem Menschensohn die Treue gehalten hat, so verspricht er, auch all den anderen die Treue zu halten, die zu Opfern römischer Herrschaft werden. Wer darauf vertraut ist ‚von oben‘ neu geboren und zu einem Menschen geworden, der auf dem Weg des Messias Unterdrückung und Gewalt widersteht und darauf vertraut, dass Gott sein ‚letztes‘ richtendes und befreiendes Wort der Treue gegenüber aller Herrschaft und Gewalt sprechen wird.
1Zu Ex 34,6 vgl. auch den anhängenden Text, den wir schon einmal über den ‚Corona_Verteiler‘ verschickt hatten.