Erste Lesung: Apg 1,12-14
Hinführung:
Nach Jesu ‚Himmelfahrt‘ kehren die Jüngerinnen und Jünger vom Ölberg „nach Jerusalem zurück“ (V. 12). Sie sollen sich ja nicht von Jerusalem trennen – nach der neuen Einheitsübersetzung: „Geht nicht weg von Jerusalem …!“ (1,4)
Hier verharrten alle „einmütig im Gebet“ (1,14). Ihre Einmütigkeit gewinnen sie im Hören auf Israels Gott, den sie gemäß der Tora „lieben“ sollen „mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“ (Dtn 6,4). Im Gebet tauchen sie ein in Israels Gott und seine Wege der Befreiung. So ist es kein Zufall, dass „Gebet“ und der „Dienst am Wort“ als zentrale Aufgabe „der Zwölf“ genannt werden (6,4). „Dienst am Wort“ bzw. „die Lehre der Apostel“ (2,42) meint die Lehre von den Wegen der Befreiung und ihrer Verwurzelung in Israels Gott. Sie bedarf der Rückbindung an „das Gebet“, das Wort ‚über Gott‘ der Verwurzelung im ‚Wort zu Gott‘.
Text: Apg 1,12-14
12 Dann kehrten sie von dem Berg, der Ölberg genannt wird und nur einen Sabbatweg von Jerusalem entfernt ist, nach Jerusalem zurück. 13 Als sie in die Stadt kamen, gingen sie in das Obergemach hinauf, wo sie nun ständig blieben: Petrus und Johannes, Jakobus und Andreas, Philippus und Thomas, Bartholomäus und Matthäus, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Simon, der Zelot, sowie Judas, der Sohn des Jakobus. 14 Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern.
Antwortpsalm: Ps 27,1-8
1 Von David. Der HERR ist mein Licht und mein Heil: Vor wem sollte ich mich fürchten? Der HERR ist die Zuflucht meines Lebens: Vor wem sollte mir bangen? 2 Dringen Böse auf mich ein, um mein Fleisch zu verschlingen, meine Bedränger und Feinde; sie sind gestrauchelt und gefallen. 3 Mag ein Heer mich belagern: Mein Herz wird nicht verzagen. Mag Krieg gegen mich toben: Ich bleibe dennoch voll Zuversicht. 4 Eines habe ich vom HERRN erfragt, dieses erbitte ich: im Haus des HERRN zu wohnen alle Tage meines Lebens; die Freundlichkeit des HERRN zu schauen und nachzusinnen in seinem Tempel. 5 Denn er birgt mich in seiner Hütte am Tag des Unheils; er beschirmt mich im Versteck seines Zeltes, er hebt mich empor auf einen Felsen. 6 Nun kann sich mein Haupt erheben über die Feinde, die mich umringen. So will ich Opfer darbringen in seinem Zelt, Opfer mit Jubel, dem HERRN will ich singen und spielen. 7 Höre, HERR, meine Stimme, wenn ich rufe; sei mir gnädig und gib mir Antwort! 8 Mein Herz denkt an dich: Suchet mein Angesicht! Dein Angesicht, HERR, will ich suchen.
Zweite Lesung: 1 Petr 4,13-16
Hinführung:
Die Erfahrung von Leid scheint die messianischen Hoffnungen in Frage zu stellen und die Leidenden zu beschämen. Vor diesem Hintergrund verweist der Autor des Ersten Petrusbriefs auf das „Leiden Christi“. Sein Leiden hat ihn nicht widerlegt, sondern war Ausdruck dafür, dass er im Hören auf Israels Gott der Befreiung seinen Weg in einer von Unrecht und Gewalt geprägten Weltordnung konsequent zu Ende gegangen ist. Wenn die messianischen Gemeinden unter Verfolgung leiden, dann sollen sie dies als „Anteil an den Leiden Christi“ (1 Petr 4,13) verstehen, statt sich zu schämen. In ihren Leiden zeigt sich, dass sie dem Namen Gottes treu bleiben.
Text: 1 Petr 4, 13-16
13 Stattdessen freut euch, dass ihr Anteil an den Leiden Christi habt; denn so könnt ihr auch bei der Offenbarung seiner Herrlichkeit voll Freude jubeln. 14 Wenn ihr wegen des Namens Christi beschimpft werdet, seid ihr seligzupreisen; denn der Geist der Herrlichkeit, der Geist Gottes, ruht auf euch. 15 Wenn einer von euch leiden muss, soll es nicht deswegen sein, weil er ein Mörder oder ein Dieb ist, weil er Böses tut oder sich in fremde Angelegenheiten einmischt. 16 Wenn er aber leidet, weil er Christ ist, dann soll er sich nicht schämen, sondern Gott darin verherrlichen.
Evangelium: Joh 17, 1-11a
1 Dies sprach Jesus. Und er erhob seine Augen zum Himmel und sagte: Vater, die Stunde ist gekommen. Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht! 2 Denn du hast ihm Macht über alle Menschen gegeben, damit er allen, die du ihm gegeben hast, ewiges Leben schenkt. 3 Das aber ist das ewige Leben: dass sie dich, den einzigen wahren Gott, erkennen und den du gesandt hast, Jesus Christus. 4 Ich habe dich auf der Erde verherrlicht und das Werk zu Ende geführt, das du mir aufgetragen hast. 5 Jetzt verherrliche du mich, Vater, bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt war! 6 Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie gehörten dir und du hast sie mir gegeben und sie haben dein Wort bewahrt. 7 Sie haben jetzt erkannt, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir ist. 8 Denn die Worte, die du mir gabst, habe ich ihnen gegeben und sie haben sie angenommen. Sie haben wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und sie sind zu dem Glauben gekommen, dass du mich gesandt hast. 9 Für sie bitte ich; nicht für die Welt bitte ich, sondern für alle, die du mir gegeben hast; denn sie gehören dir. 10 Alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein; in ihnen bin ich verherrlicht. 11 Ich bin nicht mehr in der Welt, aber sie sind in der Welt und ich komme zu dir.
Der Text bildet den Abschluss der sog. Abschiedsreden (Joh 14-17). In diesen Reden, die Johannes Jesus in den Mund legt, deutet Jesus seinen bevorstehenden Tod. In immer wieder neuen Anläufen kreisen sie um die Frage: Wie können die Jüngerinnen und Jünger messianisch leben ohne Messias bzw. mit einem von Rom gekreuzigten Messias? In seinem Tod dokumentiert sich doch der Sieg des römischen Imperiums über den Messias und über die mit ihm verbundene Hoffnung auf Gottes neue Welt. Davon ist aber weit und breit nichts zu sehen. Statt dessen werden die Anhänger des Messias verfolgt und getötet.
Den Abschluss dieser Reden bildet ein Gebet Jesu (Joh 17). Es knüpft an die zweite Abschiedsrede an, in der Jesus davon spricht, dass seine Jungerinnen und Jünger „versprengt“ werden und er – von ihnen allein gelassen – in den Tod geht. „Aber“ – so betont Jesus – „ich bin nicht allein; denn der Vater ist bei mir“ (16,32). Angesichts der Gefahr, dass die Jüngerinnen und Junger auseinandergetrieben werden, betet Jesus um ihre Einheit, um ihren Zusammenhalt, um ihre Solidarität angesichts der Gefahr.
Jesus erhebt „seine Augen zum Himmel“ (17,1)
Damit stellt er sich in die Tradition der Beter aus dem Ersten Testament wie sie in den Psalmen zum Ausdruck kommen: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen: Woher kommt mir Hilfe?“ (Ps 121,1) oder „Ich erhebe meine Augen zu dir, der du hoch im Himmel thronst“ (Ps 123,1).
Der Himmel steht für die Verborgenheit Gottes. Von Israels Gott kann zwar erzählt werden; denn er ‚geschieht’ in der Geschichte, da wo Menschen wie damals in Ägypten aus der Sklaverei ausbrechen und Wege der Befreiung zu einem Leben in Gerechtigkeit und Frieden suchen. Er lässt sich aber nicht begrifflich ‚definieren’, d.h. abgrenzen. Er bleibt unbegreifbar und der verfügenden Macht von Menschen entzogen.
Aus der Verborgenheit Gottes kommt der Messias auf die Erde. Als Menschensohn geht er in die Geschichte voller Gewalt und Folter ein. Er widersteht der Macht des Imperiums und erleidet am eigenen Leib das, was Menschen angetan wird, die sich den Befehlen der Macht nicht unterwerfen. In den Himmel, in die Verborgenheit Gottes, kehrt er zurück – genau da, wo er seinen Weg der Solidarität vollendet, sein Werk „vollbracht“ (19,30) hat. In der Stunde seines Todes gibt er nicht „seinen Geist auf“ – wie oft übersetzt wird –, sondern „übergibt seinen Geist“, wie wörtlich zu übersetzten wäre (und die neue Einheitsübersetzung es auch tut). Er übergibt seinen Geist dem Vater, er gibt sich zurück in die Verborgenheit Gottes. Damit entzieht sich der Messias aber der geschichtlichen Greifbarkeit. In der Geschichte ist er lebendig als der ‚Auferstandene’, der aber nicht zu greifen ist und den Maria Magdalena auch nicht festhalten kann (20,17); er ist lebendig in dem Geist, den seine Jüngerinnen und Jünger am Ostermorgen empfangen und der ihnen die Kraft gibt, im Widerstand gegen das Imperium auch ohne ‚greifbaren’ Messias seinen Weg weiterzugehen (20,19ff).
Die Stunde des Messias
In der Nacht vor seinem Tod wendet sich Jesus an den unbegreifbaren und unverfügbaren Gott Israels: „Vater, die Stunde ist da. Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht“ (17,1). Die Stunde von Jesu Tod ist nach Johannes die Stunde seiner Verherrlichung. Bis in den Tod hinein geht Jesus den Weg der Solidarität und hält darin Israels Gott der Befreiung die Treue. Genau dies gilt auch umgekehrt: Israels Gott hält dem die Treue, der solidarisch mit diesem Gott und den Versklavten, die nach Rettung/Erlösung schreien, bis zur letzten Konsequenz den Weg der Befreiung geht. So kann deutlich werden, dass Gewalt und Unterdrückung nicht das letzte Wort sind.
Vielmehr spricht Gott in der Auferweckung des Gekreuzigten sein schöpferisches Wort neu, setzt den Gekreuzigten ins Recht und das Imperium ins Unrecht. Genau dadurch ist die Weltordnung besiegt (16,33). Dies soll den Jüngerinnen und Jüngern die Kraft geben, den Weg des Messias im Widerstand gegen die Weltordnung zu gehen und darin die Hoffnung zu bezeugen, dass der Gott Israels das letzte Wort gegen Unrecht und Gewalt behält. Dazu wird ihnen der Geist gegeben. Dies ist aber erst möglich, wenn Jesu Weg am Kreuz der Römer ‚vollendet’ ist. Im Weg der Solidarität soll Israel aufstehen und zusammenfinden. Darin, dass Menschen aus Gewalt und Unterdrückung aufstehen, sieht Johannes die Verherrlichung Gottes. Wo dies geschieht, geben sie Gott und nicht dem Imperium die Ehre; wo dies ‚geschieht’, ‚geschieht’ der Wille Gottes, ‚geschieht das, was mit dem ‚undefinierbaren’ und ‚unbegreifbaren’ Gottesnamen versprochen ist: Aufstand zum Leben und Widerstand gegen Systeme der Gewalt und des Todes.
Bitte um Solidarität der messianischen Gemeinde in ihrem Widerstand gegen das Imperium
Um die Widerstandskraft der messianischen Gemeinde bittet Jesus, „nicht für die Welt“, genauer für die Weltordnung des römischen Imperiums, die ja die messianische Gemeinde zu versprengen und zu zerschlagen droht (17,9). Die Gemeinde muss ja in und unter der Weltordnung leben, während ihr Messias in die Verborgenheit des Vaters zurückkehrt. Für ihr Leben unter der Herrschaft des Imperiums, um ihre Kraft zum Widerstand betet der Messias. Er kann nicht darum bitten, „dass du (Gott) sie aus der Welt(ordnung) nimmst“ (17,15). „Weil sie nicht von der Welt(ordnung) sind, wie auch ich nicht von der Welt(ordnung) bin“ (17,14), können sie Zeugnis geben von der anderen Welt Gottes, der Welt der Befreiung aus Unrecht und Gewalt, einer Welt, in der die Gekreuzigten so aufstehen, wie Jesus aus der Gewalt des Unrechts und des Todes aufgestanden ist. Die Sendung der mesianischen Gemeinde ist es, wie Jesus in der Kraft des Geistes gegen die Weltordnung aufzustehen (17,18; 20,21), damit den von ihr Erniedrigten und Beleidigten Gerechtigkeit widerfährt. Dass könnte der Weltordnung und ihren Herren so passen, wenn diejenigen, die den Widerstand gegen Unrecht und Gewalt und die Hoffnung auf Gerechtigkeit und Frieden leben, aus der Weltordnung genommen würden.
Die messianische Gemeinde darf also nicht aus der Welt(ordnung) genommen werden, aber sie soll – so betet Jesus – bewahrt werden „in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir“ (17,11). Obwohl bzw. weil der Messias in die Verborgenheit Gottes zurückgeht, bleibt die Gemeinde eingebettet in die solidarische Treue des Messias zum Gott Israels und die Treue Gottes zu seinem Messias – wie sie in Tod und Auferstehung Jesu als Gericht über das Imperium sichtbar geworden sind. In ihrer Solidarität, in ihrem Zusammenhalt spiegelt sich die solidarische Einheit von Vater und Sohn.