Impuls Corona:
Zu Corona zu schreiben, habe ich mich schwer getan. Zu unklar erschien mir die Situation. Zudem wollte ich vermeiden, im Sinne von Nachkarten und Nachtreten missverstanden zu werden. Schließlich erwies es sich aber als ‚unvermeidlich‘, in dem Nachwort zur Neuauflage des ‚Weltordnungskriegs‘ von Robert Kurz darauf einzugehen. Inspiriert dazu haben mich Dominic K. und ein Text von Anna und Peter W. Was daraus geworden ist, könnt ihr in folgendem Abschnitt lesen:
Während des Schreibens dieses Textes spitzt sich die sog. Corona-Krise zu. Die Staaten greifen zu Kontakte und Bewegungsfreiheit einschränkenden autoritären Maßnahmen. Wie immer diese im Einzelnen beurteilt werden mögen, dürfte klar sein, dass mit ihnen auch Einsparungen und Privatisierungen im Gesundheitssystem kompensiert werden sollen. Angesichts der dramatischen Situation in Italien ist daran zu erinnern, dass die deutsche Regierung in der Eurokrise Druck auf die italienische Regierung ausgeübt hat, Kürzungen im Gesundheits- und Sozialbereich durchzusetzen. Wer Chinas autoritäres Krisenmanagement rühmt, sollte nicht vergessen, dass der inzwischen verstorbene Arzt Li Wenliang, der als erster angesichts des neuen Virus versuchte, Alarm zu schlagen, von den Behörden bestraft wurde, und zur Kenntnis nehmen, dass Chinas Vizepremier Sun Chunlan im Blick auf Wuhan von Kriegsbedingungen sprach und warnte: »Es darf keine Deserteure geben, sonst werden sie für immer an die Säule der historischen Schande genagelt« (Heywood 2020). Und wenn in Deutschland diejenigen an den Pranger gestellt werden, die ihre Partylaune nicht von Corona unterbrechen lassen wollten, wäre zu bedenken, dass sich hier auf Ich-AG’s zugerichtete vor allem junge Leute genau das sich selbst darstellend zelebrierten, was zur ›Normalität‹ des Krisenkapitalismus gehörte. Im März 2020 hat die Bundesregierung durch Neuverschuldung in Höhe von 156 Mrd. Euro zur Stützung der Wirtschaft ein Hilfspaket von bis zu 750 Mrd. Euro geschnürt. (Das übertrifft die Aufwendungen angesichts der Bankenkrise 2007/08.) Der Bundeswirtschaftsminister warnte in einem Interview mit den Tagesthemen schon einmal vor, was die Folgen angeht: Nach Corona müssten alle mit Einschränkungen rechnen. In all dem scheint Corona wie ein Verhängnis über eine vermeintlich intakte Welt gekommen zu sein. Dass Virusausbrüche und die Verbreitung von Viren in Zusammenhang stehen mit massiver Verstädterung, Umweltzerstörung, privatisierten und deregulierten oder gar nicht erst vorhandenen öffentlichen Gesundheitssystemen in Ländern und Zusammenbruchsregionen der Peripherie, in denen Menschen sich nicht einmal die Hände waschen können, weil Wasser und erst recht Seife fehlen, von Desinfektionsmittel ganz zu schweigen, bleibt außerhalb der herrschenden Wahrnehmung.
Im Exit-Zusammenhang sind wir dabei, an einem die Situation kommentierenden Kurztext zu arbeiten. Er wird wohl im Lauf der nächsten Woche so weit sein.
Theologischer Impuls: „Gott um Gott bitten“ (J.B. Metz)?
Die Gebete, die Jesus seine Jüngerinnen und Jünger lehrt – das ‚Vaterunser‘ nach Mt 6,9-13 und nach Lk 11,1-4 – sind Bittgebete. Das ‚Vaterunser‘ nach Matthäus bittet um Gott, um die Heiligung des Gottesnamens, um das Kommen seines Reiches und darum, dass Gottes Wille geschehe, dass er also endlich durchsetze, was er mit seinem Namen versprochen hat. Der zweite Teil des ‚Vaterunser‘ konkretisiert, was die Bitte um Gott impliziert: Brot und Nachlass von Schulden, Vergebung und Bewahrung vor der zerstörerischen Macht des Bösen. Auch in der Variante nach Lukas geht es um die Bitte um Gott mit den beiden Seiten der ‚einen Medaille‘: um den Namen und um das Reich, um Brot und um das Erlassen von Sünden und von Schulden, um Bewahrung vor der Versuchung, Götzen der Unterwerfung statt dem Gott der Befreiung zu folgen. Wenn Lukas den Erlass von Sünden erwähnt, steht dies im Zusammenhang seines Evangeliums, das Sünde als strukturelle Trennung von Gott, als strukturelle Unmöglichkeit für Israel versteht, die Tora zu leben, also Wege der Befreiung zu gehen.
Lukas fügt nun Jesu Lehre über das Gebet eine ‚Ermutigung zum Gebet‘ hinzu (11,5-12). Sie mündet ein in die Erfahrung, dass Menschen auf die Bitte ihrer Kinder hin ihnen „gute Gaben“ geben und schließt daraus: „Wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten“ (11,13). Der Geist Gottes ist jene Gabe, die öffnet für Gott und für Solidarität und fähig macht zu widerstehen. In ihr verbindet sich die ‚Gottespassion‘, die Leidenschaft für Gott, die zugleich Leiden an Gott ist, mit Compassion, der Mitleidenschaft im Blick auf das, was Menschen zu erleiden haben. Der Hinweis auf den Geist, macht deutlich, dass wir nicht ins Leere sprechen, wenn wir „Gott um Gott bitten“ und dass wir nicht aufhören sollen zu beten, bis alles erfüllt ist, was Gott versprochen ist, „damit Gott“ mit der Auferstehung der Toten „alles in allem sei“ (1 Kor 15,28).
Lesung:
Gott macht es seinen Gesandten nicht leicht. Er ist eben kein Gott, der es denen, die sich ihm anvertrauen, leicht macht. Gott macht nicht umstandslos glücklich. Er passt nicht zu unmittelbaren Wünschen und Bedürfnissen. Gerade darin zeigt er sich als transzendenter Gott, der unmittelbare Sehnsüchte nach Sicherheit und Geborgenheit übersteigt und darin in Frage stellt. Er ist ein Gott, der seine Getreuen in schwierige und lebensbedrohliche Situationen, in tödliche Bedrohung bis zur Vernichtung sendet. Das musste auch Jeremia erfahren. Darin setzt Jeremia seine Hoffnung auf das Gericht. Gott muss, wenn er sich treu bleiben will, seine ‚letztes Wort‘ der Gerechtigkeit als Wort des Gerichts und der Rache gegenüber den Tätern sprechen, die bei ihren Taten bleiben. Die Verzweiflung der Opfer, die sich in der Hoffnung auf das Gericht ausspricht, darf nicht christlich ‚lieb‘ geredet und beschwichtigt werden.
Text: Jer 11,18-20
18 Der HERR ließ es mich wissen und so wusste ich es; damals ließest du mich ihr Treiben durchschauen. 19 Ich aber war wie ein zutrauliches Lamm, das zum Schlachten geführt wird, und ahnte nicht, dass sie gegen mich Böses planten: Wir wollen den Baum im Saft verderben; wir wollen ihn ausrotten aus dem Land der Lebenden, sodass seines Namens nicht mehr gedacht wird. 20 Aber der HERR der Heerscharen richtet gerecht, er prüft Nieren und Herz. Ich werde deine Vergeltung an ihnen sehen, denn dir habe ich meine Sache anvertraut.
Zwischengesang: Ps 7,2-3.9-12
2 HERR, mein Gott, ich flüchte mich zu dir; hilf mir vor allen Verfolgern und rette mich, 3 damit niemand wie ein Löwe mein Leben zerreißt, mich packt und keiner ist da, der rettet! 9 Der HERR richtet die Völker. Verschaffe mir Recht, HERR, nach meiner Gerechtigkeit, nach meiner Unschuld, die mich umgibt! 10 Die Bosheit der Frevler finde ein Ende, doch dem Gerechten gib Bestand, der du Herzen und Nieren prüfst, gerechter Gott! 11 Mein Schutz ist Sache Gottes, er ist Retter derer, die redlichen Herzens sind. 12 Gott ist ein gerechter Richter, ein Gott, der an jedem Tag zürnt.
Evangelium: Joh 7,40-53
40 Einige aus dem Volk sagten, als sie diese Worte hörten: Dieser ist wahrhaftig der Prophet. 41 Andere sagten: Dieser ist der Christus. Wieder andere sagten: Kommt denn der Christus aus Galiläa? 42 Sagt nicht die Schrift: Der Christus kommt aus dem Geschlecht Davids und aus dem Dorf Betlehem, wo David lebte? 43 So entstand seinetwegen eine Spaltung in der Menge. 44 Einige von ihnen wollten ihn festnehmen; doch keiner legte Hand an ihn. 45 Als die Gerichtsdiener zu den Hohepriestern und den Pharisäern zurückkamen, fragten diese: Warum habt ihr ihn nicht hergebracht? 46 Die Gerichtsdiener antworteten: Noch nie hat ein Mensch so gesprochen. 47 Da entgegneten ihnen die Pharisäer: Habt auch ihr euch in die Irre führen lassen? 48 Ist etwa einer von den Oberen oder von den Pharisäern zum Glauben an ihn gekommen? 49 Dieses Volk jedoch, das vom Gesetz nichts versteht, verflucht ist es. 50 Nikodemus aber, einer aus ihren eigenen Reihen, der früher einmal Jesus aufgesucht hatte, sagte zu ihnen: 51 Verurteilt etwa unser Gesetz einen Menschen, bevor man ihn verhört und festgestellt hat, was er tut? 52 Sie erwiderten ihm: Bist du vielleicht auch aus Galiläa? Lies doch nach und siehe, aus Galiläa kommt kein Prophet. 53 Dann gingen alle nach Hause.
Der Streit um den Messias geht weiter. Seine Festnahme ist beschlossene Sache, aber die Gerichtsdiener verweigern die Festnahme. Ihre Begründung: „Noch nie hat ein Mensch so gesprochen“ (7,46). Sein Wort beeindruckt. Für Johannes ist es das schöpferische Wort Gottes, das in ihm lebendig ist und Leben schafft, das in ihm „Fleisch geworden“ ist und „unter uns gewohnt hat (1,14). Dieses Wort spaltet in solche, die sich zum Leben aufrichten lassen und in solche, die den Tod betreiben. Da gilt es, den Versuchungen standzuhalten, doch auf die Seite der Macht Roms zu wechseln. Nikodemus, der heimliche Sympathisant Jesu (Joh 3,1ff) will wenigstens das Recht gewahrt wissen. Damit macht er sich aber schon verdächtig, Jesus für den Messias zu halten und mit ihm zu sympathisieren.