Nach Vorstellungen von Unternehmensberatern und Strategen in den bischöflichen Behörden soll die Kirche zu einem Glaubens- und Dienstleistungsunternehmen entwickelt werden. Dem wird das Label einer „dienend besorgten Kirche“ angeheftet. Aktuell jedoch ist die Kirche mehr mit sich selbst beschäftigt: mit Einbrüchen bei den Mitgliederzahlen, mit ihren Strukturen und zölibatären Ämtern, mit der (notwendigen) Aufarbeitung ihrer Missbrauchsskandale… Sie will auf die Höhe der Zeit, um gesellschaftlich anschlussfähig zu werden. Dabei verpasst sie die Zeit, weil sie die mit dem Kapitalismus einhergehenden sozialen und ökologischen Zerstörungsprozesse ebenso ignoriert wie das Wachstum von Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus, die sich auch darin entluden, dass FDP und CDU nicht davor zurückschreckten, gemeinsam mit der AfD einen Ministerpräsidenten zu wählen.
Als der Theologe Karl Rahner in den 1970er Jahren von einer „dienend besorgten Kirche“ sprach, tat er es im Blick auf Menschen am Rand der Gesellschaft, „die keine Macht haben und der Kirche keinen eigenen Machtzuwachs bringen“. Als abschreckendes Beispiel erinnerte er an die Kirche im Nationalsozialismus, der „das Schicksal der Juden“ gleichgültig war, weil sie auch in dieser Zeit „mehr an sich selbst, an den Bestand ihrer Institution gedacht“ hat. Und angesichts gegenwärtiger „Ungerechtigkeit und Tyrannei … müssten wir uns eigentlich wundern, wie wenig die Kirche in Konflikt gerät mit gesellschaftlichen Institutionen und Machtträgern, außer in den Fällen, wo diese die Kirche … angreifen“. Auf die Höhe der Zeit kann die Kirche nur im Widerspruch zur Zeit kommen, zu Entwicklungen, die das Leben von Menschen und den Globus zerstören.
Herbert Böttcher, Pastoralreferent i.R., zuerst veröffentlicht in der Rheinzeitung („Fixpunkt“, 20. Februar 2020)